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Zum Tod von Hans Mayer

Vor drei Jahren, am 15. August 1998 in Bayreuth, hat die VdO Hans Mayer ihren Wilhelm Pitz-Preis verliehen. Auszüge aus seiner Dankesrede, die er seines geschwächten Sehvermögens wegen ohne Manuskript, dennoch druckreif vortrug, hat unsere Zeitschrift vergangenes Jahr veröffentlicht (O&T Ausgabe 3/00, S. 5 ff.). Da ahnten wir bereits, es gehe ihm nicht wirklich gut.

   

Starb am 19. Mai im Alter von 94 Jahren: Der Tübinger Literaturhistoriker Hans Mayer. Foto: Timpe

 

In der Jury des Pitz-Preises machte er von seinem Recht Gebrauch, den nächstfolgenden Preisträger zu nominieren: Pierre Boulez. Sein Vorschlag wurde einstimmig akzeptiert. Am 18. August 2001 wollte Hans Mayer bei der Preisverleihung im Rahmen der Richard Wagner-Festspiele die Laudatio auf Boulez selber halten. In der Nacht zum 19. Mai 2001 ist er in Tübingen gestorben.

Götz Friedrich begann 1998 seine Laudatio auf Hans Mayer mit der Frage: „Was suchst Du hier? Was hast Du auf dem Grünen Hügel gesucht nach all den Forschungen Deines Kopfes und Deines Herzens ein Leben lang, und was suchst Du immer noch und immer wieder in der Kommunität derer, die hier schaffen?“ Und Götz Friedrich tastete sich an Antworten heran: „Für einen, der Texte so vielschichtig auffächerte und fast einem Mediziner gleich abhorchte wie Hans Mayer, für jemanden, der den konfliktreichen Drehpunkten deutscher, europäischer Neubestimmung nach der Katastrophe, die vom Faschismus ausging, nachspürte, erscheint es nur zwangsläufig, dass er auf Richard Wagner stieß, widerstrebend und fasziniert zugleich, neugierig in jedem Fall. Dabei ist aufschlussreich, zu welchem Zeitpunkt das geschah. 1953 veröffentlichte er in der in Ost-Berlin von Peter Huchel herausgegebenen Zeitschrift ‚Sinn und Form’ eine erste Studie über ‚Richard Wagners geistige Entwicklung’. Er reagierte fast unmittelbar auf die Herausforderung, die vom Neu-Bayreuth Wieland und Wolfgang Wagners nach der epochemachenden Inszenierung des ‚Parsifal’ 1951 ausging. Und Wieland Wagner forderte Hans Mayer auf, in den Folgejahren die Bayreuther Werkstatt kritisch zu begleiten – eine Verbindung, die Wolfgang Wagner nach dem Tode Wielands noch intensivierte.

Soll der ‚Deutsche auf Widerruf’, als den Hans Mayer sich in einem seiner schönsten, aber auch beunruhigendsten Schriften bekannte, soll ein Nachfahre Ahasvers mit der Verleihung des Bayreuther Preises angezeigt bekommen, dass er nach mancherlei Irrfahrten hier eben doch einen Hafen hat, den Wagner im ‚Fliegenden Holländer’ Erlösung nannte, was aber nach dem hebräischen Wort ‚Ge-ulla’ Lösung, Erlösung, Heimat, Heim zugleich bedeutet? Eine Heimat freilich, die wir nicht in einem bestimmten Status, nicht in einem Staat finden, sondern in einer Art ‚künstlicher Paradiese’, wie Hans Mayer es beim ‚Tannhäuser’ sagte, in einem Pantheon der enttäuschten, und dennoch nicht nihilistisch gewordenen Aufklärer? Es geht Hans Mayer vor allem wohl darum, die Kunst, speziell Literatur und Oper und Musik, zum Bewusstsein ihrer selbst zu führen, damit sie sich in die Lage versetzt, Wirklichkeit als eine Wahrheit darzustellen, wie sie in der Realität nicht vorkommt. Damit stellt sich Hans Mayer in die vorderste Reihe derer – und es sind vor allem Philosophen – die bezeugen, dass Oper dem Leben näher ist, als das Leben oft sich selbst. Dies immer bewusst zu machen, ist eines der Verdienste Hans Mayers, das angesichts der äußeren und inneren Gefährdungen, denen sich diese zutiefst europäische Kunstform gerade gegenwärtig ausgesetzt sieht, nicht hoch genug anzusetzen ist.“

Der „Tübinger Literaturhistoriker“, als der Hans Mayer seit 1973 in der Öffentlichkeit auftrat, wurde am 19. März 1907 in Köln geboren. Im April 1933 musste der Großbürgersohn, libertäre Marxist und promovierte Jurist („Die Krise der deutschen Staatslehre“) seiner jüdischen Herkunft wegen emigrieren. Schon 1945 kehrte er nach Deutschland zurück; 1948 wurde er Ordinarius für Kunstsoziologie und Literaturwissenschaft an der Universität Leipzig. 1963 emigrierte er zum zweiten Mal: nach Tübingen. Von 1965 bis 1973 lehrte er Germanistik in Hannover und avancierte, wie Jean Améry es formulierte, zum „einflussreichsten Hochschullehrer Deutschlands“. Es war sein Wunsch, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beerdigt zu werden. In der Hauptstadt eines Staates, der es wie selbstverständlich hinnahm, dass einer seiner größten Geister nicht ohne sozialwerkliche Unterstützung leben konnte.

 

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