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Anti-Aufklärerisch

Jost Hermand: Glanz und Elend der deutschen Oper, Böhlau, Köln 2008, 312 Seiten, 24,90 Euro

Schrieb Schönberg seine Oper „Moses und Aron“, weil er zu militant fühlte? Verdanken wir „Parsifal“ Wagners spätem Ekel vor Fleisch? Und resultiert „Die Zauberflöte“ in Wahrheit aus Mozarts „deutschem Empfinden“?

Wer Jost Hermands neue Publikation ohne relativierendes Grundwissen liest, folgt solchen Spekulationen womöglich interessiert. Der seit 50 Jahren in den USA wirkende Germanist betrachtet „Oper“ als Fundus von Werken und fragt nach „dem Deutschen“ darin. Das liest sich anfangs informativ: mit Schütz’ verschollener „Daphne“ lief 1627 das erste Opus in deutscher Sprache, Bibers „Chi la dura la vince“ barg 1691 die erste deutsche Figur. Hermand verweist auf geistesgeschichtliche Spuren und sieht in Gottsched und Klopstock Initiatoren eines neuen, patriotisch gesinnten deutschen Theaters der Aufklärungszeit. Mozarts „Zauberflöte“, Beethovens „Fidelio“ und Webers „Freischütz“ hingegen betrachtet er im Kontext von Richtungs- und Rezeptionskämpfen eines Kulturbetriebs, der im Zuge seiner Verbürgerlichung neuer Stoffe bedarf und diese zu Inkarnationen humanistischen Denkens erhebt. Kombinationen aus „deutsch“ und „national“ im Opernbetrieb jener Zeit wertet der Autor als antifeudal und subversiv, das heißt positiv.

Hermand, Jahrgang 1930 und Lehrstuhlinhaber für deutsche Kulturgeschichte an der University of Wisconsin-Madison, argumentiert nicht (musik-)soziologisch, sondern bedient sich eines Feuilletonismus, in dem sich Behauptungen, Vokabular verschiedener Branchen und persönliche Meinung miteinander vermischen. In 15 Werk- und Komponisten-Kapiteln von Biber bis Rihm wiederholt sich der Anspruch, bislang Nicht-Publiziertes, wenn nicht gar Nicht-Konformes zu Tage zu fördern. Zum Beispiel, dass der ertaubte Beethoven in seiner Florestan-Figur eigene Gefühle aussprach und dass es der Metternich-Ära bedurfte, um „Fidelio“ als Epos der Gattenliebe verstehen zu lernen. Dass Wagner die Erlösung der Menschheit durch Abkehr von „jüdischem Liberalismus“, ‚imperialistischer Blutgier’ und von Fleischverzehr präferierte. Und dass das „Opernwesen“ in Deutschland erleichtert sein durfte, als ab 1933 avancierte Werke von der Bühne verschwanden.

Treiben Hermand Aversionen gegen Moderne und Fortschritt? Zieht sich eine antisemitische Spur durch das Buch? Ist der US-Germanist im aktuellen kultursoziologischen Diskurs in Mitteleuropa ein Außenseiter, eine Erscheinung von gestern, oder schwimmt er besonders geschickt auf jener Welle, die „Deutschsein“ als Wert an sich heute neu etabliert? Immerhin lehrt er mit einer Honorarprofessur an der Humboldt-Universität in Berlin!

Gewisse Unsauberkeiten mit der Bewertung des 30. Januar 1933 und dessen Folgen sind vielleicht nicht die richtige Spur, um Hermands Schreibintentionen offenzulegen. Im Pfitzner-Kapitel wird der Autor recht deutlich. Im Sinnieren über Musik als der „deutschesten aller Künste“ offenbart sich ein Denken, das kulturelles Erbe einerseits unbedingt zu bewahren verheißt, den Zutritt zur Hochkultur andererseits nur einer konservativen Bildungselite zuspricht und Demokratisierungsversuche als „parlamentaristisch“ verlacht. In diesem Zusammenhang erklärt sich womöglich das Fehlen von Komponisten wie Dessau, Henze und Schenker, die sämtlich deutsche Sujets komponierten. Auch die Ausgrenzung zeitgenössischer Werkexperimente und die Ablehnung moderner Theaterregie passen ins Bild. Vor- wie Nachwort sind Sprach-Dschungel reichlich verletzten Liebhabertums – sie bieten Rundumschläge, schwammige Thesen und betriebsfremden Rat. Immerhin: Was der Autor zu suchen vorgibt, verliert sich dabei, erweist sich als Kategorie als nicht relevant. – Unklar, warum ausgerechnet dieser Verlag solch einen Text publiziert.

Frank Kämpfer

 

 

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