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Editorial

Mut zur Rebellion?

Bereits seit Jahren versuchen wir, durch sogenannte Haustarifverträge den Abbau der kulturellen Infrastruktur zu verhindern. An einer stattlichen Anzahl von Standorten, die sich vor dem Hintergrund stetig verminderter Zuschüsse existenziell immer bedrohlicheren finanziellen Engpässen ausgesetzt sehen, werden den Mitarbeitern erhebliche – teilweise schon unanständige – Zugeständnisse abverlangt, um den Abbau ihrer Arbeitsplätze zu verhindern. Und dies stets in Verbindung mit dem Versprechen auf Besserung in der Zukunft.

Foto: Johannes List

Foto: Johannes List

Es gibt aber keine Verbesserung, ganz im Gegenteil wird immer offener zum Totalangriff auf die „kostenintensiven“ Einrichtungen der Kultur- und Theaterlandschaft geblasen – natürlich unter dem Deckmantel der Sanierung der kommunalen Kassen. Dies geschieht zum einen durch die fortschreitende Abschaffung des bewährten Repertoiretheaters und zum anderen durch eine zunehmend systematische Tarifflucht.

Das Absurde daran ist, dass der Anspruch an die künstlerische Leistungsfähigkeit der Institutionen dabei gerne trotzdem bestehen bleibt, dementgegen jedoch gleichzeitig die Bereitschaft, die notwendigen finanziellen Grundlagen zur Verfügung zu stellen, überproportional abnimmt. Das politische Generalziel Tarifkonformität wird dabei zum Lippenbekenntnis. Während diese in der Regel bei den städtischen Betrieben wie zum Beispiel der Stadtverwaltung oder der Müllabfuhr gewährt wird, gilt in der Kultur ein anderes Maß: Der Tarifbruch wird gern in Kauf genommen, der Verzicht der Mitarbeiter fester Bestandteil der regelmäßigen Finanzierung.

Frankfurts Intendant Bernd Loebe betonte jüngst in einem durchaus bemerkenswerten Interview in der Frankfurter Rundschau ganz klar auch die Verantwortung der Träger für gesellschaftlich normale Tarifentwicklungen: „Tarifverträge (...) geben Verlässlichkeit, die man nicht unterschätzen sollte. Natürlich gibt es die Problematik der Tariferhöhungen (...), aber warum sollen die Leute von einer gesellschaftlichen Entwicklung ausgespart bleiben?“ Abgesehen davon kommt der erfolgreiche Theatermanager auch auf die ökonomische Sinnhaftigkeit zu sprechen, die er dem Stagione-Betrieb abspricht. Nicht nur, dass ein festes Ensemble die Identität eines Hauses ausmacht, sondern eben gerade auch aus finanziellen Erwägungen trete der Ensemblegedanke verstärkt in den Vordergrund. Die ökonomische Krise helfe danach, zum wahren (!!!) System zurückzukehren, die Arbeit mit einem Ensemble sei wertvoll und gewährleiste Qualität: „Ein solches Haus ist immer am Dampfen. Und ein ungemein beweglicher Apparat.“

Auch die anerkannte Volkswirtin und Wirtschaftsjournalistin Inge Kloepfer, die gerade mit Kent Nagano das Buch „Erwarten Sie Wunder!“ (Besprechung S. 36), geschrieben hat, fordert die Abkehr von der rein ökonomischen Betrachtungsweise der Kunst, denn der immaterielle Mehrwert jenseits reiner Unterhaltung sei eben nicht in Zahlen zu fassen, „Inspiration, Kreativität, Trost, Freude oder Hoffnung, die diese große Kunst den Menschen beschert, habe eben keinen monetären Mehrwert“.

So stellt sich generell die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, sich gegen weitere – gerade unter tarifpolitischen Gesichtspunkten – höchst fragwürdige Ansinnen zur finanziellen Entlastung der Institutionen zu stellen und die totale Konfrontation zu suchen. Ist es nicht an der Zeit, der Politik zu zeigen, dass wir am Ende sind mit der Heuchelei, für die Kunst und Kultur einzustehen, und uns am Ende nur noch zu prostituieren für einen zweifelhaften Selbstzweck?!?

Können wir es uns leisten, die durch die verfehlte Kulturpolitik entstandene Schieflage zulasten der Mitarbeiter weiter aufzufangen, immer mehr Zugeständnisse zu machen? Oder müssten sich nicht eigentlich die verantwortlichen Rechtsträger endlich Ihrer Verantwortung stellen und sich zu den kulturellen Mehrwerten bekennen...

Gerrit Wedel

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