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Berichte

Staatsballett im Freien

Das mehrfach preisgekrönte Projekt »Ballett + Wildnis« des Bayerischen Staatsballetts

Sie sind seit Urzeiten mitten unter uns: Wilis, Faune, Najaden, Trolle, Sylphiden, Pan, Feen, Nixen, in Schwäne verzauberte Prinzessinnen. Seit fast 200 Jahren tanzen diese halbmenschlichen Naturwesen auch über Europas Bühnen. Da wird durchweg „wilde Natur“ in hochkomplexen Tanzformen zu „humaner Kultur“ stilisiert. Derzeit läuft zusätzlich die UN-Dekade für „Biologische Vielfalt – leben.natur.vielfalt“, und dann laden kurz vor Jahresende das Bayerische Staatsballett und das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gemeinsam ein: Es gibt einen Preis zu feiern.

Das Team von „Ballett und Wildnis“. Foto: Raimund Lederer

Das Team von „Ballett und Wildnis“. Foto: Raimund Lederer

Ballettdirektor Ivan Lisˇka und seine Vizedirektorin Bettina Wag ner-Bergelt lieben die unkonventionelle Öffnung des von außen ja leicht exquisit-elitär-schwierig wirkenden Balletts „nach Außen“. So keimte schon 2003 eine Idee des Natur-Filmers Till Meyer, mündete in ein „Projekt zur Kultur der Natur“, und Lisˇka führte seine sonst in Probenräumen schwitzende Compagnie in die Wildnis des Nationalparks Bayerischer Wald. Die Formen urwüchsiger Natur in Fels, Wald, Bach und Wiese inspirierten Tänzerinnen und Tänzer zur Imitation, Überhöhung und Kontrastierung – festgehalten in beeindruckenden Fotografien von Berny Meyer. Der Kontakt zum Umwelt-Ministerium, dann 2004 eine Foto-Ausstellung dortselbst führten zur Kooperation im Projekt „Ballett + Wildnis“. Ein ganz großer Tanz-Ausflug wurde 2006 geplant, der zum „Welt-Wildnis-Kongress“ in Anchorage führen sollte. Doch ein Sparbeschluss der Staatsregierung machte alles zunichte. Die Folge: Probeneifer und Naturbegeisterung schwenkten um rund 180 Grad und mündeten in eine Aufführungsserie im Nationalpark Berchtesgaden.

Jonah Cook vor der Befreiungshalle. Foto: Berny Meyer

Jonah Cook vor der Befreiungshalle. Foto: Berny Meyer

Erst urteilten die zunächst eher „Tanz-unbelasteten“ Ranger Berchtesgadens: „Das beste Projekt, bei dem wir mitarbeiten durften“ – und dann folgte 2007 als grandiose Geste aus Anchorage die Auszeichnung des Staatsballetts als „Weltweiter Botschafter der Wildnis“. Folglich „köchelten“ weitere Pläne – immer mit Unterstützung des ja 1970 weltweit ersten „Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen“. Bei der Vorbereitung eines weiteren bayerischen Jubiläums war man auf ein Dekret des Kunst- und Ballett-begeisterten Königs Ludwig I. (bekannt unter anderem durch seine nicht standesgemäße Verbindung zur Tänzerin Lola Montez!) aus dem Jahr 1840 gestoßen; er verbot die weitere Nutzung des Weltenburger Donaudurchbruchs als Steinbruch zugunsten des auf der Anhöhe im Bau befindlichen Monuments zur Feier der Befreiungskriege gegen Napoleon.

Alisa Scetinina und Kateryna Kistol. Foto: Berny Meyer

Alisa Scetinina und Kateryna Kistol. Foto: Berny Meyer

Dieses erste bayerische Naturschutz-Dekret, das Jubiläum „150 Jahre Befreiungshalle“ und das vielfältige Engagement der Kulturvereinigungen der unterhalb liegenden Stadt Kelheim mündeten 2013 in eine ganze Freiluftserie von Ballett-Aufführungen vor der renoviert erstrahlenden Befreiungshalle – angeführt von einer „natur-thematisch“ choreografierten Einstudierung „Na Floresta“. Der Lorbeer blieb nicht aus: „Ausgezeichnetes Projekt“ der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“. Selbst die Feier der Auszeichnung wurde ein kleines Fest: Da die Umwelt-Ministerin Ulrike Scharf selbst jahrelang getanzt hat, begann sie ihre Rede mit der Bitte an Direktor Ivan Lisˇka, doch zu prüfen, ob sie richtig in der „Ersten Position“ stand – und wusste im Weiteren, wovon sie sprach. Einen Höhepunkt bildete Raoul Schrotts kompakter Festvortrag. Ihn hatte die Einladung während seiner Studien im fernen Kaukasus erreicht – und ausgehend von urzeitlichen Tanz-Funden dort begann er einen faszinierenden tanz-literarischen „Reigen“ durch die europäische Kulturgeschichte, der einen wünschen lässt, den Text demnächst nochmals gedruckt nachzuvollziehen. Die Preisvielfalt soll nicht dazu führen, dass man sich künftig auf den Lorbeeren ausruht: Pläne zu Tänzen im angrenzenden tschechischen Nationalpark Sumava reifen – und 2020 feiert der Nationalpark Bayerischer Wald sein 50-jähriges Bestehen… die Naturgeister bitten weiterhin zum Tanz! Wer einiges davon jetzt schon nachvollziehen will: Broschüre und DVD „Ballet + Wildnis“ sind zu beziehen vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Referat Grundsätze, in München.

Wolf-Dieter Peter

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