Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


Editorial

Eine Chance für unsere Gesellschaft

Zigtausende Flüchtlinge kommen in unser Land in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen. Woher kommen diese Menschen, wovor fliehen sie? Das ist in vielen Fällen Krieg, Hunger, Verfolgung (etwa aus Gründen der politischen oder religiösen Überzeugung oder der sexuellen Orientierung), existenzbedrohende Armut und – was soll daran verwerflich sein? – in einigen Fällen nicht die Angst ums nackte Überleben, sondern die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Wer die Gefahren einer solchen Flucht auf sich nimmt, ist kein „Sozialschmarotzer“. Er sieht einfach keinen anderen Ausweg, sich und seinen Angehörigen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

   

Gerrit Wedel

 

Und uns erreichen beinahe täglich Berichte über Angriffe auf Geflüchtete oder auf für sie vorgesehene Unterkünfte. Müssen wir uns da nicht auch nach unserer Verantwortlichkeit fragen? Sind wir nicht sogar gezwungen, Farbe zu bekennen und zu entscheiden, was uns wirklich wichtig ist?

Mit-Menschlichkeit und Respekt – Werte, die man je nach religiöser oder gewerkschaftlicher Grundüberzeugung auch mit Nächstenliebe oder Solidarität benennen kann, und die unabhängig von unserer Weltanschauung oder politischen Überzeugung Allgemeingültigkeit haben! Angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme sind alle Menschen, alle Klassen, alle Schichten gefragt, ein Teil der Lösung zu sein und nicht ein Teil des Problems.

Es kann doch gar nicht so schlimm sein, dass so viele Menschen zu uns kommen; wir haben in vielen Landesteilen ein demografisches Problem, wie es immer heißt, ja wir brauchen sogar Zuwanderung. Also versuchen wir doch aus der aktuellen Situation etwas Gutes zu machen: bieten wir den Flüchtlingen eine Chance, an unserem Leben teilzuhaben, unsere Wirtschaft zu unterstützen, die Gesellschaft zu verjüngen und die Kultur zu bereichern.

Welche Rolle spielt die Kultur überhaupt in dieser Debatte?

In der Ausgabe 2/15 haben wir auf dem Titel von „Oper und Tanz“ ein Szenenbild von „I Masnadieri“ in Weimar abgedruckt. Die Inszenierung war eine Solidaritätsbekundung mit den Opfern des NSU-Terrors. Sein Editorial in der Ausgabe 3/15 überschrieb Tobias Könemann mit „Solidarität – und ihre Grenzen“. Und auch in der jetzt aktuellen Flüchtlingsdebatte müssen wir uns wieder des Solidaritätsgedankens besinnen, der auch gewerkschaftlicher Arbeit zugrunde liegt und den wir nicht nur unter Kolleginnen und Kollegen sondern gegenüber allen Menschen umsetzen wollen.

Es ist eine neue Situation, vor der unsere Gesellschaft steht, und hier ist Kreativität gefragt, und ein Hort der Kreativität ist nun einmal die Kunst. Alle kulturellen Institutionen sind gefordert in dieser gesellschaftlichen Debatte.

Theater, Musiktheater/Oper oder Kunst im Allgemeinen kann die politischen Konflikte nicht lösen und die Welt nicht retten. Aber entsprechende Veranstaltungen können das Publikum und die ganze Bevölkerung sensibilisieren und die Welt vielleicht ein kleines Stückchen besser machen, gegenseitiges Verständnis und Toleranz befördern.

Da sollte man doch meinen, dass gerade diesen Herausforderungen entsprechend die kulturellen Institutionen gestärkt werden, aber was passiert beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt und in Thüringen? Genau das Gegenteil.
Es scheint zunehmend absurd, dass gerade diese kulturelle Infrastruktur immer mehr in Frage gestellt wird vor dem Hintergrund eines irrwitzigen Sparwahns. Wir brauchen die Theater in dieser schweren Zeit als Projektions- und Diskursfläche nicht zuletzt zur Weiterentwicklung unseres solidarischen Selbstbewusstseins. Die kulturellen Institutionen leisten einen substantiellen Beitrag auch in puncto Integration, und das ganz besonders in der Kinder- und Jugendarbeit, die gerade im Hinblick auf diese Problematik von entscheidender Bedeutung ist.

Ein schönes Beispiel ist die Antwort eines Vierjährigen im Portal hiphop.de auf die Frage: Sind auch Ausländer in Deinem Kindergarten? Die Antwort: Nein, da sind Kinder!

Gerrit Wedel

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner