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Volkseigene Körper

Jens Richard Giersdorf, Volkseigene Körper. Ostdeutscher Tanz seit 1945, transcript Verlag, 282 Seiten, zahlr. Abb., Print: 34,99 Euro, ISBN: 978-3-8376-2892-0

Jens Richard Giersdorf, Volkseigene Körper. Ostdeutscher Tanz seit 1945

Jens Richard Giersdorf, Volkseigene Körper. Ostdeutscher Tanz seit 1945

Der Titel wirkt provozierend. Doch was der Autor Jens Richard Giersdorf in diesem kenntnisreichen, stets von einem starken Bemühen, das schwindende Archiv des ostdeutschen Tanzes vor dem Vergessen, vor Unterdrückung oder Fehlinterpretation zu bewahren, im 34. Band der TanzScripte zur Diskussion stellt, beleuchtet auf solitäre Weise „Ostdeutschen Tanz seit 1945“. Giersdorf widerspricht mit seinen Untersuchungen einer nach wie vor dominanten Ost-West-Dichotomie in der Kunstbetrachtung und Bewertung. Dezidiert auf die dominierend-denunzierende Tanz-Geschichtsschreibung verweisend, schreibt er gegen das ideologisch geprägte „Forschungsvakuum“ und „das Ausmaß der Auslöschung des ostdeutschen Tanzes“ mit seiner „Geschichte des Tanzes in der DDR“ an.

Der Autor untersucht die identitätsstiftende Funktion der Folklorekultur kritisch. Er gibt eine singuläre Interpretation des Begriffes „Tanztheater“ durch Tom Schilling und das Tanztheater der Komischen Oper Berlin. Giersdorf sieht es als Notwendigkeit zu analysieren, „welche modernen Prinzipien Schilling in seiner Choreografie erforschte, um zu begreifen, gegen welche Definition der Moderne der sozialistische Realismus anging“. Im Kapitel „Widerständige Bewegungen im Osten“ untersucht er den Beginn der oppositionellen Bewegung im Tanz an drei Beispielen, die außerhalb des offiziellen Diskurses im wiedervereinigten Deutschland stehen: Arila Siegert, Fine Kwiatkowski und der Transvestit Charlotte von Mahlsdorf.

Giersdorf plädiert mit seinen Untersuchungen zugleich für das Studium von Modellen von Tanz, die „Alternativen zur westlichen Hegemonie der Form zu bieten haben“. Wie der gesellschaftliche Kontext die Konnotation von Bewegung verändert, zeigt der Verfasser spannend und anregend an seinen Lesarten von „Pax Germania“ (Jo Fabian, 1997) und „Allee der Kosmonauten“ (Sasha Waltz, 1996). Dass er im Schlusskapitel die choreografische Arbeit des Chilenen Patricio Bunster als Beginn einer transnationalen Geschichte ostdeutschen Tanzes versteht, die es in einer globalisierten Demokratie zu behaupten gilt, ist wie vieles in diesem Zusammen-Denken ambivalenter künstlerischer Prozesse und ihrer Protagonisten kühn und nicht mainstream-konform.

Karin Schmidt-Feister

 

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