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Kulturpolitik

Reformchaos und Feigenblattdebatten

Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen

In den vergangenen zwei Jahren haben wir in jedem Heft über mindestens ein schlechtes Beispiel aus diesen drei Bundesländern berichtet. Dieses Mal soll es nicht nur um die einzelnen Theater gehen, sondern gleich um die gesamte Brandrodung in der dortigen Kulturlandschaft.

Ein Vergleich der drei bietet sich aus mehreren Gründen an: Zum einen gab es in allen dreien mit der Wiedervereinigung einen Neustart. Zum anderen sind sie das beste Beispiel dafür, dass Kulturpolitik sich nicht an Parteiprofilen festmachen lässt. Thüringen wird rot-rot-grün von Bodo Ramelow regiert, aber was ist „linke“ Kulturpolitik? Stärkung der künstlerischen Kollektive? Niedrigschwelliger Zugang zur Kultur für alle Menschen in der Bevölkerung? Beides wäre wünschenswert, ist aber nicht der Fall. Die große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern ist mit Erwin Sellering SPD-geführt, die große Koalition in Sachsen-Anhalt folgt Reiner Haseloff von der CDU. Aber wird deshalb das sozialdemokratische Ideal der sicheren Arbeitsplätze bzw. ein wertkonservativ motivierter Erhalt der traditionellen Kulturstätten umgesetzt? Weit gefehlt. Allen gemeinsam ist, dass sie keine durch Haustarifverträge abgesenkten Tarifvergütungen mehr wollen. Da aber nicht genügend Mittel zur Finanzierung der Strukturen zur Verfügung gestellt werden, heißt das im Klartext für viele Künstler: Hartz IV statt Arbeit. Und noch eine Absurdität: Insbesondere in M.-V. wird der Kulturabbau mit Abwanderung der Bevölkerung begründet. Wie aber diese Abwanderung durch eine drastische Verringerung der Attraktivität der Region(en) gestoppt werden soll, bleibt ein Geheimnis der Regierenden.

Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte lassen sich in vier Gruppen einteilen: Freiheits- bzw. Abwehrrechte, Leistungsrechte bzw. daraus resultierende Ansprüche, Gleichheitsrechte und individuelle Mitwirkungsrechte im Staat. Die in Artikel 5 unseres Grundgesetzes geregelte Kunstfreiheit ist ursprünglich ein Abwehrrecht, enthält aber bei genauerem Hinsehen auch Merkmale der anderen Gruppen. Die Frage ist nur, ob das reicht, oder ob es nicht an der Zeit ist, auch im Kulturbereich das Recht auf Leistungen des Staates ausdrücklich in Verfassungen zu verankern. Kultur als Pflichtaufgabe – keineswegs ein neuer Gedanke.

In einer Rede im September 1991 sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker „Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Haushalte zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich zumeist „Subventionen“ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in die falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.“ Ein Jahr zuvor, am 31. August 1990, hatten DDR und BRD den Einigungsvertrag geschlossen, in dessen Artikel 35 steht: „Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen.“

Nach gut 25 Jahren Einheit kann im Kulturbereich von „Schutz und Förderung“ vielfach keine Rede mehr sein. Solange die Kultur den Launen der Landespolitik und der kommunalen Selbstverwaltung ausgeliefert ist, sind wir weit entfernt von der Garantie einer kulturellen Infrastruktur. Eine Verfassungsänderung wäre dafür allerdings nicht unbedingt nötig; auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Frage ist also, wie viel Kahlschlag in der Kultur noch passieren muss, bis das Bundesverfassungsgericht einschreitet.

Dass in der Politik allzu oft nur in Legislaturperioden gedacht wird, ist aus der Sicht eines Berufspolitikers, der seinen Job sichern will, zwar verständlich, bleibt aber doch ein eklatanter Bruch seiner Verantwortung für das Gemeinwohl.

Im seit 1990 CDU-regierten Thüringen hielt die LINKE nocht bis 2014 in ihrem Wahlprogramm fest „DIE LINKE. Thüringen will Kultur als Fundament unseres demokratischen Gemeinwesens stärken. Daher wollen wir ein Kulturfördergesetz auf den Weg bringen, welches den kulturellen Reichtum bewahrt und Raum für kreative Impulse bietet. Für eine nachhaltige Kulturförderung setzen wir auf ein gemeinsames und solidarisches Agieren von Land und Kommunen.“
Nun in der Regierungsverantwortung hat die LINKE nichts Eiligeres zu tun als wie ihre Vorgänger zu untersuchen, wo in der Kultur am elegantesten der Rotstift angesetzt werden kann.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Gesamtfördersumme im Kulturbereich seit 1994 auf 70 Mio. DM bzw. 35,8 Mio. Euro p.a. festgeschrieben. inflationsbedingt bedeutet dies über die Jahre hinweg de facto nichts anderes als eine Kürzung um nahezu die Hälfte.

In Sachsen-Anhalt setzte sich der Landtag 2013 über die vom durch ihn eingesetzten Kulturkonvent vorgeschlagene Aufstockung hinweg und kürzte stattdessen die Fördersummen für die folgenden Haushalte radikal.

Drei unerfreuliche Sachverhalte, die nur exemplarisch zeigen, dass es viele falsche Wege gibt – leider unabhängig davon, welche Parteien gerade in der Regierungsverantwortung stehen.


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