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Weisse und andere Elefanten
Editorial 2016/04 von Gerrit Wedel

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Ein schaler Nachgeschmack

Die Salzburger Festspiele 2016

Was wollen wir von der Oper? In erster Linie doch: genau über diese Frage streiten, im Hier und Jetzt und der Welt zugewandt. Über den ersten Neuproduktionen bei den diesjährigen Salzburger Festspielen hing ein Hauch von Eskapismus, der vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden politischen Geschehnisse einen mehr als schalen Nachgeschmack hinterließ.

Das reichte von der Programmgestaltung über die Wahl des Regisseurs bis hin zur Ausstattung. Jenseits inhaltlicher Fragen drängte sich der Eindruck auf, dass es bei der Uraufführung von Thomas Adès’ „The Exterminating Angel“ und erst recht bei Richard Strauss’ Alterswerk „Die Liebe der Danae“ vor allem um möglichst prächtige Bilder gehe.

„The Exterminating Angel” mit Ensemblemitgliedern und dem Salzburger Bachchor.

„The Exterminating Angel” mit Ensemblemitgliedern und dem Salzburger Bachchor. Foto: Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus

Mehr Abendgarderobe, mehr Glitzer war selbst auf den Salzburger Bühnen selten. Adès, der Popstar unter den britischen Komponisten der Gegenwart, hatte sich für sein neues Stück eine Vorlage gewählt, die Kultstatus hat, nämlich den gleichnamigen surrealistischen Film von Luis Buñuel aus dem Jahre 1962. Adès und sein Librettist und Regisseur Tom Cairns hatten die Akteure von 20 auf 15 reduziert, ansonsten aber folgten sie treulich der kargen Handlung: Da fand sich eine hochmögende Gästeschar am Ende einer Party außerstande, den Salon der Villa zu verlassen. Je länger die geheimnisvolle Macht die Gruppe dort festhielt, desto tiefer rutschten Krägen und Frisuren, die Fassaden der Konvention und schließlich auch die Moral.

Hildegard Bechtler hatte ein riesiges, drehbares Mahagonitor auf die Bühne des „Hauses für Mozart“ gestellt. Drumherum kantiges Nobelhotellobby-Mobiliar, Damen in lang, Herren im Frack. Soweit man das im Gewimmel erkennen konnte; naturgemäß waren alle Protagonisten die ganze Zeit auf der Bühne.

Das sah gut aus und war szenisch durchaus amüsant, denn das Ensemble spielte und sang mit Wucht, farbig begleitet vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Leitung des Komponisten. Warum dieser seine Sänger fast ständig in schier unerreichbare Höhen treibt, bleibt allerdings sein Geheimnis. In der Stratosphäre schlug sich Audrey Luna als Operndiva Leticia bewunderungswürdig, aber auch die anderen, darunter Anne Sofie von Otter und John Tomlinson, ließen keinen Wunsch offen, der Salzburger Bachchor artikulierte deutlich.

Bechtolf lotet tief in die seelischen Abgründe; er lässt die Paare am Schluss in Unordnung.

Adès hat wieder mal eine ungeheuer suggestive, sinnlich fassbare Musik geschrieben. Nur die vielen Stilzitate wirken eklektisch und schwächen die eigene Tonsprache. Die überbordende Musik plappert über die Katastrophen hinweg, die sich im Original in Momenten gespannter Stille ereignen, und geriert sich als ungebetener Erklärer – gipfelnd im Einsatz der Ondes Martenot, die immer dann erklingen, wenn’s surrealistisch wird. Buñuels Drama braucht aber keinen Soundtrack.

Mehr als Bedauern erregte Alvis Hermanis mit seiner Deutung von Strauss’ „Danae“. Er erregte Ärger. Klar geht es in dem kruden Libretto, das Joseph Gregor unter Strauss’ Knute aus dem Hofmannsthalschen Entwurf schnitzte, um Gold. Aber muss man dasselbe deswegen gleichsam mit dem Farbeimer ausgießen? So kleisterte Hermanis die vielen Bedeutungsfacetten zu, die das Gold in der „Danae“ hat.

Damit nicht genug des Blingbling, die Sänger der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor – sie hatten auf der stadionbreiten Festspielhausbühne anfangs leichte Koordinationsprobleme – steckten in Pluderhosen und medizinballgroßen Turbanen, wie sie sich der Süßigkeitenhersteller mit dem berühmten Mohren nicht klischeehafter hätte ausdenken können. Und den Bühnenhintergrund bedeckten orientalische Ornamente.

Hermanis und der Kostümbildner Juozas Statkevicius wollten ein Märchen erzählen, hatte der Regisseur zuvor zu Protokoll gegeben und jeder politischen Stellungnahme eine Absage erteilt. Bei einem Werk, in dem die Armut auf den Straßen Syriens ausdrücklich vorkommt, grenzt eine solche Abstinenz im Jahre 2016 an Zynismus. Da half es auch nicht, ein leibhaftiges Eselchen über die Bühne zu schicken.

Trost boten auch hier die Sänger. Krassimira Stoyanova schenkte der Danae ihren modulationsreichen, rotgoldenen, frei strömenden Sopran, wenn sie auch nicht sehr gut zu verstehen war. Der Bariton Tomas Konieczny lief in der strapaziösen Partie des Jupiter zu immer größerer Form auf – und die Wiener Philharmoniker ließen sich von Franz Welser-Möst irgendwann auch dazu bringen, Konieczny zu begleiten. Ansonsten aus dem Graben nichts Neues. Kein Vergleich zu den sprechenden, funkelnden „Fidelios“ oder „Rosenkavalieren“, mit denen die Beteiligten in den vergangenen Jahren die Hörer entzückt hatten.

Die Überraschung ereignete sich anderswo. Der scheidende Interimsintendant Sven-Eric Bechtolf schenkte sich zum Abschied eine vierte Runde seines Da-Ponte-Zyklus. Bereits 2013 hatte er „Così fan tutte“ inszeniert und war von der Kritik schier gekreuzigt worden. Dieses Jahr nun war alles neu: Sänger, Orchester, Ort, Bühnenbild.

Dass sich Bechtolf über den Abschiedsschmerz der beiden Mädchen im ersten Akt lustig machte, passte nicht zu seiner klaren Erzählweise. Davon abgesehen aber lotete er tief in die seelischen Abgründe, die sich unter dem Experiment auftaten und in seiner Lesart auch nicht mehr schlossen; er ließ die Paare am Schluss in Unordnung. Prachtvolle junge Mozartstimmen hatten die vier jungen Leute und auch Martina Janková (Despina), sie eskortierte der phänomenal präsente Michael Volle als Don Alfonso. Das Mozarteumorchester Salzburg unter Ottavio Dantone wiederum agierte so lebendig und aufmerksam wie ein Originalklangensemble. Es war hörbar Teil des Geschehens, zumal Bechtolf den Graben in die – angenehm spärlich möblierte – Bühne der Felsenreitschule einbezogen hatte.

Dagegen wirkte die Wiederaufnahme des „Don Giovanni“ von 2014 wie eine Repertoirevorstellung an der Wiener Staatsoper. Die Wiener Philharmoniker spielten unter Alain Altinoglu mehr als bräsig, auch die Sänger blieben stilistisch unspezifisch. Gediegene Unterhaltung war das und das Bühnenbild alles andere als revolutionär.
Aber natürlich hochelegant.

Verena Fischer-zernin

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