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Berichte

Geistlos, gottlos, durchtrieben

Glanert-Uraufführung in Halle · Von Bettina Volksdorf

Ein fröhlicher Weltuntergang sollte es werden: Die Bühnendekoration zertrümmert, sämtliche Akteure (bis auf das obligatorische Liebespaar) über die Hinterbühne entschwunden und das Orchester dreht im vierfachen Forte „con tutta forza” nochmal so richtig auf! Doch plötzlich triumphiert ER: Gottliebchen, das infantile Pseudo-Genie, ein „Satansbraten” der besonderen Art, den nicht einmal der Teufel mit sich in die Hölle nehmen will. Gottliebchen ist ein geistig unterentwickeltes, androgynes Kindwesen, einerseits permanent gequält, andererseits der Öffentlichkeit als „kommendes National-Genie” verkauft. Drahtzieher ist ein dem Alkohol verfallener Schulmeister, dem seine „Entdeckung“ jedoch letztlich entgleitet. Denn am Ende der Oper ist es Gottliebchen, der die verlogen-schöne Idylle des Provinz-Nestes Lopsbrunn im Handumdrehen zum Einstürzen bringt und sich mit einem bösartig-gekreischten „Amen” verabschiedet.

   

Axel Köhler und Kenneth Harrison.
Foto: Opernhaus Halle

 

Vorhang – Licht – Applaus. Dem Publikum aber bleibt das Lachen buchstäblich im Halse stecken. Hatte man es nicht schon längst geahnt? Das Böse, es ist allgegenwärtig und mitten unter uns: Geistlos, gottlos, durchtrieben und brutal! Dem sei nur mit Lachen eins auszuwischen, das jedenfalls meint Komponist Detlef Glanert. Als er 1998 vom Opernhaus Halle den Auftrag erhielt, ein neues Werk für das hauseigene Ensemble zu schreiben, da entschied er sich sofort für das komische Genre. Seine Wahl fiel auf Christian Dietrich Grabbes Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung”. Ein Werk, das auf Grund zahlreicher gesellschaftskritischer Anspielungen sowie verbaler Angriffe auf Zeitgenossen des Dichters erst nach dem Tod Grabbes 1836 zur Uraufführung kam. Jörg W. Gronius unterzog es einer gründlichen Revision: Er komprimierte, aktualisierte und erstellte gemeinsam mit dem Komponisten das Opern-Libretto. Der Plot ist schnell erzählt: Da die Hölle einer gründlichen Reinigung unterzogen wird, verschwindet der Teufel lieber auf die Erde. Dort versuchen vier Naturhistoriker vergeblich seine wahre Identität zu lüften, also wird der Teufel kurzerhand als Oberkirchenrat (!) in das Kleinfürstentum von Lopsbrunn eingeführt. In Lopsbrunn wiederum jubelt der Schulmeister gerade der Gesellschaft sein „neues National-Genie” Gottliebchen unter. Allein – das Interesse der anwesenden Herren gilt in erster Linie der attraktiven Baronesse Liddy. Vier Männer, die um die Gunst einer Dame buhlen, das bietet dem Teufel eine wunderbare Vorlage, nach Herzenslust zu intrigieren und dabei auch allerlei menschliche Bosheiten bloßzustellen.

Glanert vertritt die Auffassung, dass das Komische einer gewissen Schnelligkeit bedarf, das heißt er setzt zunächst einmal auf Tempo: Die Szenen sind knapp gehalten, abwechslungsreich instrumentiert und variieren in Hinblick auf die sängerische Besetzung. Das ermöglicht einen straffen Einstieg ins Stück, hat „drive” und einen hohen Informationswert, da Glanert den rezitativischen Parlando-Ton bevorzugt und bis auf wenige Szenen musikalisch für Transparenz, somit auch für Textverständlichkeit sorgt. Aber im Verlauf des ersten Aktes geht diese Leichtigkeit zusehends verloren, macht sich eine gewisse hektische Atemlosigkeit breit. Es ist, als würde die uns alltäglich umgebende Informationsflut auf die Opernbühne transformiert, und man vermisst schmerzlich den einen oder anderen Ruhepunkt. Dennoch: Detlef Glanert ist ein Komponist, der offenbar spielerisch mit ganz unterschiedlichen Formen wie Passacaglia, Fuge und Kanon arbeitet, sich virtuos verschiedener musikalischer Idiome bedient und die Figuren klar zu charakterisieren vermag. Jede Rolle hat eine eigene klangliche Aura, indem ihr bestimmte Intervalle und Instrumente zugeordnet sind. Und doch wirken die Figuren merkwürdig blass, bleibt musikalisch wenig im Gedächtnis haften. Einzig Altus Axel Köhler, der mittels voice transformer als Teufel mit „gespaltener Zunge“ singt, schafft es, die (zugegeben dankbare) Rolle des Bösen schärfer zu profilieren. Das Gros des Ensembles aber schlägt sich wacker zwischen Karikatur beziehungsweise bewusst überhöhten Rollen-Klischees und wenig „sängerischem Futter”. Keine einfache Sache, dieser musikalischen Vorlage szenisch zu begegnen. Regisseur Fred Berndt gibt dem leicht überdrehten Spiel, was es braucht, indem er das hohe musikalische Tempo aufgreift und szenisch benutzt. Dass das Initial „G” mehrfach in der Dekoration auftaucht, soll wohl nachdrücklich auf die „Dreieinigkeit” von Grabbe-Glanert-Gronius verweisen. Deren im Proszenium verewigte Konterfeis jedenfalls betrachten das Spektakel zwar allabendlich stumm, doch offenbar mit Vergnügen.

 

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