Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater
Opernerlebnis hautnah
Kinder- und Jugendprojekte im Musiktheater
Ziele in München neu definieren
Richard-Strauss-Konservatorium und Musikhochschule


Dienst und Herrschaft
Über das Verhältnis von Tanz und Musik

Berichte
Keine Mittelalter-Romantik
„L’amour de loin“ am Staatstheater Darmstadt
Dämmernd auf totem Geleise
Wernickes und Aldens „Ring“ in München
Der Tod als Segen
„Die Sache Makropulos“ in Oldenburg
Leichtigkeit moralfreien Seins
Fredrik Zellers „Irma Vep“ in Schwetzingen

Alles, was Recht ist
Aktuelles
Kein Berufsunfähigkeitsschutz für Jüngere – Kündigung von Bühnenbräuchen – Risikomanagement bei der Bayerischen Versorgungskammer

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Sponer verabschiedet – Tarifgemeinschaft geplatzt // Ivo Levende // Neue Ortsdelegierte // GVL-Nachweis 2002: Termin beachten // Tiemann wiedergewählt // Flutopferhilfe der VdO // Helmut Karmeier neuer DOV-Vorsitzender // Wechsel bei der VddB // Wir gratulieren ...

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Wettbewerbe 2003
Festspielvorschau 2003
Spielpläne 2002/2003

 

Berichte

Der Tod als Segen

„Die Sache Makropulos“ in Oldenburg · Von Christian Tepe

Eine Produktion der „Sache Makropulos“ bedeutet nicht nur für mittlere Häuser wie Oldenburg immer ein besonderes Wagnis, denn mit der Musik seiner vorletzten Oper greift Janácek an den Lebensnerv jener Kunstgattung, die auf die Beschwörung der Macht der Gefühle abzielt. Bei Janáceks Protagonistin Emilia Marty ist eben dieses Reservoir der Gefühle erschöpft: Hinter der „Sache“ verbirgt sich die Formel zu einem Lebenselixier, das Anno 1601 an Emilia im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments erprobt wurde. Nach über 300 Jahren beginnt die Wirkung der Arznei nachzulassen und die Probandin von einst versucht alles, um die verlorene Formel wiederzuerlangen. Doch als Emilia endlich das Unsterblichkeitsrezept zurückerobert hat, verzichtet sie: Die Option eines ewigen Lebens hat die 300jährige Schönheit in ein emotionales Nichts gestürzt. Alles hat sie schon einmal erlebt, alles ist für sie leer und sinnlos geworden, keine Liebeshoffnung vermag sie noch zu beflügeln. Solche Seelenzustände lassen sich musikalisch nicht mehr mit den Heldinnen-Kantilenen aus „Jenufa“ oder „Katja Kabanowa“ ausdeuten, auch wenn Emilia ironischerweise Operndiva und damit von Berufs wegen Sachwalterin der ganz großen Gefühle ist. Janácek bedient sich daher einer Rastertechnik, in der die ausgedörrten Partikel einer atomisierten Volksmusik im Orchestersatz zu Klangwüsten ausgebreitet werden, aus denen dann im Gesang die Fata Morganen echter Gefühle gleißend aufragen.

 
 

Marcia Parks (Emilia) und Joachim Siemann (Graf Hauk-Sendorf). Foto: Jörg Landsberg

 

In Oldenburg wird die paradoxe Aufgabe, das Leiden an der Ohnmacht der Gefühle mit leidenschaftlichem Engagement darzustellen, grandios gemeistert. Marcia Parks legt als Emilia mit allen Finessen klanglicher Nuancierungskunst die schwermütige Schönheit unter der rauen Oberflächenschicht ihrer Partie frei. Parks’ Emilia macht sängerisch und darstellerisch wahrnehmbar, was den Erotomanen Janácek an dieser Figur fesselte, nämlich die Möglichkeit einer neuen ultimativen Verherrlichung des Opernmythos Frau als Geheimnis, als Wesen von undurchdringbarer Trauer und übermenschlicher Leidensfähigkeit, vor der die Männer auch dieser Oper zu hilflosen Sklaven ihrer planen Wünsche und Hoffnungen verblassen. Peter Vincent kämpft sich achtbar durch die vertrackte Tenorpartie des Albert Gregor, Bernard Lyon verleiht dem Jaroslav Prus seinen sonoren Bariton und Henry Kiichli gewinnt mit prägnanter Deklamation dem trockenen Parlando des Anwalts Dr. Kolenaty ein Höchstmaß an Ausdruck ab. Mit energischem Impetus gehen GMD Alexander Rumpf und das Oldenburgische Staatsorchester die enervierend leere und zugleich doch aufpeitschende Motorik an, mit der die Musik die Zuhörer von den ersten Takten des Vorspiels an nahezu anspringt. Die bizarren Schroffheiten in der Instrumentation präsentiert das Orchester mit überraschender Geschmeidigkeit.

Oft sind es gerade die kleinen und kleinsten Chorpartien, die eine exzeptionelle Bedeutung für das Ganze gewinnen. Mit Blick auf Janácek denke man nur an den die Heldin in den Tod lockenden mystischen Wolgachor aus „Katja Kabanowa“. Eine ähnliche dramaturgische Funktion erfüllt auch der von Janácek im Orchestergraben platzierte Herrenchor, der am Ende der Makropulos-Oper einige Sentenzen aus dem Sterbensgesang Emilias repetiert. Wenn Regisseur Mark Zurmühle in Oldenburg den (für seine begrenzten musikalischen Aufgaben von Thomas Bönisch gut präparierten) Chor auf die Bühne bringt und in Sargträgeruniformen sowie von Verwesung gezeichneten Gesichtsmasken auftreten lässt, steht der Tod selbst auf der Bühne, um Emilia zu holen. Mit diesem Tableau setzt Zurmühle ein Fragezeichen hinter die durch die Handlung nahegelegte Philosophie vom Tod als Segen. Mag Emilias Sterben individuell eine Erlösung sein, der Tod an sich bleibt schrecklich, grausam und unerbittlich.

Zurmühles Inszenierung im kargen Einheitsbühnenbild mit dunkelrot grundierten Blattmustertapeten (Bühne: Eleonore Bircher) überzeugt durch eine psychologisch differenzierte Personenführung und findet besonders im Zusammenhang mit den Begegnungen zwischen Emilia und Christa, einer jungen Verehrerin der Sängerin, Bilder von anrührender Poesie. Die Brisanz, die der Oper vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gentechnik zugewachsen ist, wird dagegen ausgeblendet, die Chance zu einer expliziten Auseinandersetzung mit den Illusionen wissenschaftlichen Fortschritts nicht ergriffen.

Christian Tepe

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner