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Editorial

Land unter in Sachsen-Anhalt: Die Fluten machen auch vor der Kultur nicht halt!

   

Gerrit Wedel

 

Die Kulterminatoren Oberbürgermeister Bernd Wiegand aus Halle und Ministerpräsident Reiner Haseloff leisten ganze Arbeit. Die Flut macht‘s vor und steht sinnbildlich für den Umgang mit der Kultur im Lande. Die Herren nehmen es wörtlich und nutzen die Chance, einfach gleich alles geflissentlich den Bach runtergehen zu lassen. Zusätzlich zur bestürzenden Naturkatastrophe noch eine hausgemachte Kulturkatastrophe: Die Absage der Händelfestspiele einhergehend mit einem Spielverbot für alle Spielorte der Bühnen Halle – auch für die gar nicht von der Flut betroffenen. Denn man hatte ja Katastrophenalarm und wollte angesichts dessen „keine Feste feiern“. Ein merkwürdiges und höchst befremdliches, aber auch zutiefst entlarvendes Verständnis von Kunst und deren Aufgaben und Möglichkeiten offenbart sich hier: Sie wird reduziert auf bloße Unterhaltung. Also: Lieber Alles absagen und die angekündigten 45.000 Besucher abschrecken, anstatt die noch sicheren Spielstätten für solidarische Aktionen zu nutzen und so den Flutopfern Hilfe und nicht zuletzt auch moralische Unterstüzung zukommen zu lassen. Es ist schlicht und einfach unbegreiflich, wie diese nicht zuletzt wirtschaftlich völlig unsinnige (alle Kosten für die geplanten Produktionen sind entstanden und müssen beglichen werden!) Entscheidung – übrigens ohne jede Einbeziehung der Theaterleitungen – getroffen werden konnte. Immerhin: Ins Kino gehen war noch erlaubt!

Nach dem Motto: Nach mir die Sintflut... verließ der OB dann auch Mitte Juni lieber den Kulturausschuss der Stadt Halle, in dem die Kritiker ihn zur Rede stellten, mit den Worten: „Das ist eine Verurteilung. Hier wird auf den Oberbürgermeister eingeschlagen wie verrückt.“

Aber auch landesweit gibt man sich keine Blöße und beschließt vorsorglich entgegen den Empfehlungen des damals mit Riesen-Tam-Tam ins Leben gerufenen Experten-Kulturkonvents lieber gleich den totalen Kulturkollaps angesichts der Fluten: Eine Kürzung um knapp 20 Prozent der Zuweisungen für die Theater- und Orchesterförderung von vormals 36 auf nun 29 Mio. Euro. Immerhin wird es einen Strukturanpassungsfonds geben, mit dem die Träger unterstützt werden sollen, um die notwendigen „Umstrukturierungsmaßnahmen“, sprich Schließungen und den damit verbundenen Kosten für Kündigungen und Abfindungen, umsetzen zu können.

Mehr als zynisch mutet die Stellungnahme zu den beschlossenen Kürzungen an, Begründung kann man es ja nicht nennen, wenn die hochkarätig besetzte Expertenkommission unmittelbar zuvor zu einem anderen Ergebnis gekommen war. (In M-V haben sie 1996 wenigstens beschlossen, die Mittel einzufrieren bis zum Jahre 2020 – und seitdem auch nur Kultur-Kannibalismus und Kultur-Abbau...) Hier wird entgegen den Empfehlungen versprochen, mit einer Kürzung von über 7 Millionen Euro „langfristig eine ausgewogene und bestandsfähige Theater- und Orchesterlandschaft in den Oberzentren und in der Fläche zu erhalten“. Das spricht für sich.

Kultur hat also offensichtlich in Sachsen-Anhalt keinen besonders lebensgeschweige denn liebenswürdigen Stellenwert (oder einen solchen Charakter für die kulturverantwortlichen Politiker völlig verloren), es wird verhindert, Solidarität aufzubauen, sich gerade in schwerer Zeit gegenseitig zu verstehen und zu vertrauen. Die Basis einer demokratischen und wirtschaftlich orientierten Gesellschaft, einfach hinweggespült.

Katastrophenschutz Hin oder Her, das war auf der Titanic noch anders, da haben die Musiker bis zuletzt gespielt und Mut und Trost gespendet. Anders als im bald um Einiges (kultur)-ärmeren Sachsen-Anhalt. Hier werden die Lichter lieber vorsorglich ausgeknipst.

Gerrit Wedel

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