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Ausgabe 2001/01

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Bericht

Tödliche Liebe

„Pelléas und Mélisande“ in Leipzig

Allein schon ob seiner durchweg leisen Stimmungen und Töne wird das inzwischen ein Jahrhundert alte lyrische Drama ,,Pelléas und Mélisande“ von Claude Debussy ein Ausnahmewerk bleiben. Während die Musik fast gleichzeitig entstandener Werke wie Giacomo Puccinis „Tosca“, Richard Strauss’ „Salome“ und Leoš Janáceks „Jenufa“ die Theaterbesucher anpackt und zur unmittelbaren Anteilnahme herausfordert, setzt Debussy ein waches Hineinhören in seine Klänge voraus, verlangt die an Symbolen reiche Dichtung Maurice Maeterlincks ein tiefes Eindringen in jeden Satz.

Zufall oder Schicksal

Wie in Richard Wagners „Tristan und Isolde“ geht es um einen Dreieckskonflikt Liebender. Doch im krassen Unterschied zu den aktiv handelnden, zueinander drängenden Titelgestalten Wagners verhalten sich die Maeterlincks und Debussys gänzlich passiv. Der Zufall, oder – nach der Auffassung von Pelléas gütigem Großvater, dem alten, fast blinden König Arkel des schattenhaften Reiches Allemonde – das Schicksal fügt das Geschehen. Alles in diesem alten Schloss und seinem Park, auch das nahe liegende Meer, zeigt sich düster, bedrückend, rätselhaft, unbegreiflich, fremd.

   

M. Kozená (Mélisande), B. Polegato (Pelléas).
Foto: Birkigt

 

Die Begegnung Mélisandes mit Golaud, dem Bruder Pelléas’, entspringt dem Zufall. Die von Golaud erstrebte Verbindung nimmt Mélisande im Sinne Arkels als schicksalhafte Fügung hin. Mehr oder weniger zufällig begegnen sich Pelléas und Mélisande in rührend naiver Weise, ohne sich ihrer Zuneigung bewusst zu werden, bewusst werden zu wollen. Als Pelléas endlich darüber Klarheit gewinnt, will er abreisen. Doch der Abschied gestaltet sich zur Katastrophe, weil der letztlich grundlos eifersüchtig gewordene Golaud die Zusammenhänge nicht erkennt. Er vermag in seiner Einsamkeit innerhalb dieser rätselhaften Welt andere nicht zu verstehen und wird so zum Mörder an Pelléas, zum Schuldigen am Tod Mélisandes. Das alles könnte auf den ersten Blick als ziemlich weltfremd verstanden werden. Doch beim genaueren Hinsehen und -hören erweist sich dieses lyrische Drama, diese Tragödie, als ergreifender und erschütternder Ausdruck von Einsamkeit und Entfremdung, die Maeterlinck und Debussy aber keineswegs zeitgebunden erleben lassen.

Der am Ende der Spielzeit an die Deutsche Oper Berlin wechselnde Intendant Udo Zimmermann kündigte die Premiere dieses Werkes in der Urfassung (für die Akteure der im April folgenden „Falstaff“-Inszenierung – freundlich gesagt – nicht eben kollegial) als letzte große Tat seiner elfjährigen Amtszeit an. Mit der Verpflichtung des Dirigenten Marc Minkowski, des Regisseurs John Dew, des Bühnenbildners Roland Aeschlimann, des Kostümbildners José-Manuel Vazquez und sechs Gastsolisten für nur sieben Vorstellungen sind die Finanzen der Spielzeit wohl weitgehend erschöpft. Günter Neubert muss sich als Komponist des Auftragswerkes „Persephone oder Der Ausgleich der Welten“ mit zwei konzertanten Aufführungen Ende Mai zufrieden geben!

Klangkultur

Zu Hören ist mit dieser „Pelléas“-Inszenierung fraglos Großartiges. Marc Minkowski, bisher ja vor allem mit Barockmusik denkbar erfolgreich, führt das Gewandhausorchester und die Solisten zu einer beispielhaften Gestaltung. Das Orchester beeindruckt besonders mit seiner Klangkultur und bei allem im Sinne der Partitur weitgehend gedämpften Musizieren mit feinsten Klangschattierungen und Schwebungen.

Die junge tschechische Künstlerin Magdalena Kozená erweist sich mit ihrem wunderbar nuancierten Gesang und ihrem natürlichen, ungekünstelten Spiel als ideale Mélisande. Für die ungleichen Brüder wurden mit dem Kanadier Brett Polegato (Pelléas) und dem Franzosen Vincent Le Texier (Golaud) zwei leistungsstarke Sänger von großer Ausstrahlungskraft gewonnen. Jérôme Vernier drückt mit seinem von Einsamkeit und Trauer erfüllten Gesang alles aus, was den mit wenigen Gesten agierenden Arkel bewegt. Marion Harousseau zeigt Golauds Sohn Yniold als kindlich anrührende Gestalt. Marie Noël Vidal als Mutter Geneviève und (vom Leipziger Ensemble) Soon-Won Kang als Arzt überzeugen in den kleinen Partien.

Premierenbeifall

Der Dortmunder Intendant John Dew folgt in seiner Inszenierung weitgehend dem Charakter der Musik und führt die Akteure mit langsamen Bewegungen und verhaltenen Gesten. Roland Aeschlimann entwarf einen für alle Szenen brauchbaren Bühnenbau, der einer Meereswoge gleicht, vor der es kein Entrinnen gibt. Diese Bühnengestaltung ermöglicht innerhalb der fünf Akte einen pausenlosen Szenenwechsel, so dass auf die für die Uraufführung nachkomponierten (keineswegs belanglos geratenen) Zwischenspiele verzichtet werden kann. Ein Tisch und wenige Stühle dienen als entbehrliche Requisiten, an deren Stelle Versenkungen oder herauszufahrende Erhöhungen zwingender wirken könnten. Dass sich alle Akteure immer auf der Bühne befinden, lenkt vom Geschehen ab, auch wenn die jeweils nicht Beteiligten abgewandt stehen oder im Dunkel liegen. So wie die Kostüme von José-Manuel Vazquez mit Ausnahme des weißen Kleides der Mélisande nur zwischen tiefschwarz und dunkelgrau changieren, bleibt auch die Ausleuchtung der Bühne trotz mancher Kontraste ziemlich stumpf im Gegensatz zum Reichtum der Klangfarben des Orchesters. Der Premierenbeifall für den Dirigenten, die Sänger und das Gewandhausorchester war spontan und stürmisch. Einige Buh-Rufe gab es für John Dew.

Werner Wolf

 

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