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Gesellschaft der Bronx

„West Side Story“ auf der Bregenzer Seebühne · Von Stefan Rimek

Auch wenn es die Regisseurin Francesca Zambello und ihr Bühnenbildner George Tsypin immer wieder beteuern, so mag man dennoch kaum glauben, dass das Bühnenbild für die Seebühne-Produktion von Leonard Bernsteins „West Side Story“ im Rahmen der 58. Bregenzer Festspiele bereits vor dem 11. September 2001 exakt so konzipiert war, wie es jetzt der Öffentlichkeit präsentiert wird. Zu sehr erinnert der schräg in den Himmel ragende, 36 Meter hohe, skelettartige Wolkenkratzer, dessen Stahlträger von unten her geschwürartig aufgebrochen und mit zerschmetternden Scheiben durchsetzt sind, an die Überreste der Gebäude des World Trade Centers. Bei näherer Betrachtung klingt es dann aber doch plausibel, wenn das Team behauptet, es habe durch diese Konstruktion, die auf der Bühne im Gegensatz zu einer auf Schienen jeweils hereingefahrenen dreistöckigen Bruchbude der puertorikanischen Einwanderer steht, lediglich die problematisch gegensätzlichen Lebensumstände der beiden Bevölkerungsgruppen deutlich machen wollen. Beim halb zerfallenen Brick-House ist das Elend auf den ersten Blick zu erkennen. Aber auch die glatte Banker-Gesellschaft der „echten“ US-Amerikaner hat ihre Slums. Hierfür stehen die zerstörten Stahlträger und Scheiben dieses kapitalistischen Aushängeschilds. Sie stehen für eine kranke und kaputte Sub-Gesellschaft, in der Straßengangs wie die „Jets“ oft den einzigen Halt für die Jugendlichen bieten. Oben regieren die Büros der Business-Class und unten gärt die Bronx. Das versteht dieses Bühnenbild auf anschauliche Weise zu vermitteln.

 
 

Weckt Erinnerungen an den 11. September: Bühenbild der „West Side Story“. Foto: Festspiele

 

Eine von Stahlträgern getragene schiefe Ebene aus grünem Glas, die von den Füßen des Wolkenkratzers bis zum Wasserspiegel allmählich nach rechts abfällt, dient als zentrale Aufmarschfläche für die handelnden Figuren aber auch für die jeweils ins Bild geschobenen anderen Spielebenen wie die 15 Meter lange Fassade von Doc‘s Drugstore oder das dreistöckige, drehbare Brick-House, auf dessen Balkon sich dann auch die berühmte Balkonszene zwischen Tony und Maria abspielt. Während die beiden Protagonisten vom Brick-House herunter „Somewhere“ intonieren, tanzen unten ihre Doubles einen Pas de deux inklusive Hebefiguren. Am Schluss verzichtet Zambello auf eine Versöhnung der Gangs. Happy Ends sind eben rar geworden in unserer kriegerischen Zeit.

Keine Frage, die Regieführung von Francesca Zambello ist schlüssig und die Bewegungsabläufe sind dramatisch gut durchdacht. Die Choreografie von Richard Wherlock gibt sich energiegeladen, wenngleich nicht progressiv-experimentierfreudig, die Aufbauten sind passend, die Kostüme von Marie Jeanne Lecca (rot für die „Sharks“ und blau für die „Jets“) durch den zeitgenössischen Subkultur-Einschlag und die hier und da sichtbaren Anspielungen auf die 50er Jahre angemessen schrill.

Zum Erfolg dieser Premiere vor 7.000 Zuschauern trugen auch die Bühnenakteure wesentlich bei. Allen voran ist hier Marisol Montalvo als Maria zu nennen, die neben ihrer überzeugenden schauspielerischen Leistung auch durch ihre klare und durchsetzungskräftige Stimme bestechen konnte. Jesper Tydén wusste ebenfalls zu beeindrucken, wenngleich er anfangs in leisen hohen Passagen doch leichte Intonationsprobleme hatte. Sibylle Wolf als Anita, Alexander Franzen als Riff, Andreas Wolfram in der Rolle des Bernardo sowie die Mitwirkenden des Kammerchors Moskau, des Tanzensembles der Bregenzer Festspiele, des Studiengangs Musical der Bayerischen Theaterakademie August Everding komplettierten den positiven Gesamteindruck. Hervorragend war die Leistung der Wiener Symphoniker, denen Dirigent Wayne Marshall das beigebracht hat, was der Jazzer „Swing“ nennt.

Das Publikum nahm die Premiere zurecht mit lang anhaltendem Applaus auf. Dennoch darf die Frage gestattet sein, ob man ein Musical wie dieses wirklich auf der größten Seebühne der Welt, welche den Geist der aussagekräftigsten Opernproduktionen der letzten Jahrzehnte in sich birgt, inszenieren muss. „America“ oder „I Feel Pretty“ sind in ihrer Schlichtheit eben doch nicht vergleichbar mit Melodien aus der Feder von Puccini oder Verdi – auch wenn dies immer wieder hartnäckig behauptet wird.

Stefan Rimek

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