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Kulturpolitik

Verona in Thule (Teil 1)

Nordische Oper und Chortradition
Von Armin Diedrichsen und Jochem Wolff

Heutzutage existiert in Stockholm und Göteborg, in Kopenhagen und Århus, in Helsinki oder Savonlinna eine blühende Musikkultur, die zu entdecken sich gleich mehrfach lohnt: Da sind zum Einen die historischen Pretiosen, ruhmreiche Vergangenheit und königliches Vergnügen; zum Anderen erwartet den Opernfan eine verblüffende Dichte an Uraufführungen, an bild- und tonkräftigen Werken von Komponisten, die zu wahren Aushängeschildern ihrer Länder geworden sind.

In Schweden hat die Oper für nordeuropäische Verhältnisse eine lange Tradition. Sie geht zurück auf das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts, auf die gustavianische Epoche. Denn es war der schwedische König Gustav III., der die Oper auf verschiedenen Wegen institutionalisierte und als Gattung nachhaltig förderte. Von herausragender Bedeutung waren die Hoftheater von Drottningholm und Gripsholm, während in Stockholm das Ballhaus für Theaterzwecke genutzt wurde.

 
 

Königliche Oper in Stockholm. Foto: Mats Bäcker

 

Doch das goldene Zeitalter, die gustavianische Epoche, endete abrupt, und vorbei war damit auch die nur für kurze Zeit anhaltende Konjunktur des Schlosstheaters Drottningholm. Nach der pompösen Einweihung des königlichen Opernhauses am 30. September 1782 fiel Drottningholm der Vergessenheit anheim. Heute wird es in den Sommermonaten wieder bespielt. Dort existieren nach wie vor die originale barocke Maschinerie und Beleuchtung, der Vorhang und knapp 30 Bühnenbilder des 18. Jahrhunderts, in denen der Besucher wie in einem lebendigen Museum der versunkenen Opernkultur jener Zeit wieder begegnen kann.

Mit den Opern-Komponisten Wilhelm Peterson-Berger (1867-1942) und Hilding Rosenberg (1892-1985), dessen „Reise nach Amerika“ einen originellen und völlig neuen Stil entwickelt und mit ihrer Montagetechnik und dem lakonischen Ton ein wenig an Kurt Weills Arbeiten erinnert, war ein Bruch mit der romantischen Tradition eingeleitet, die insgesamt eine Abkehr von den nationalen Stoffen und dem volksliedhaften Gebaren so mancher schwedischer Oper bedeutete.
Schwedische „Stars“

In den 60er Jahren wurden in Stockholm und Göteborg die Akademien für Musiktheaterausbildung gegründet, daneben existierte bereits die Theaterschule Malmö. Diese Bemühungen um den Nachwuchs standen im Zeichen einer neuen kulturpolitischen Ausrichtung. Man bemühte sich endlich um Dezentralisierung und bereiste das ganze Land mit Konzerten und Theateraufführungen.

Und heute? Wenn man gegenwärtig von schwedischer Opernkultur spricht, darf nicht vergessen werden: Wir sind in einem Land der Sänger und Sängerinnen. Die Namen der international bekannten Stars sind Legion, angefangen bei der berühmten Jenny Lind über Birgit Nilsson, Anne-Sofie von Otter; Oscar und Torsten Ralf, Gösta Winbergh, Håkan Hagegård und viele mehr. Alle haben sich innerhalb ihres eigenen Landes für die Ausbreitung der Oper eingesetzt und den Dialog mit dem Publikum in mannigfacher Weise gesucht.

Neueste Namen sind etwa Hans Gefors, der mit seiner Oper über die Königin Christina 1986 schlagartig bekannt wurde und dessen 1997 in Malmö uraufgeführte Parabel „Der Wolf kommt“ über eine Geiselnahme in Frankreich im Januar 2003 in Lübeck gespielt wurde. Große Aufmerksamkeit erntete auch Sven-David Sandström mit Stücken wie „Das weiße Schloß“ oder Lars Edlund, dessen Kammeroper „Das Mädchen im Auge“ im schwedischen Fernsehen erfolgreich gezeigt wurde.

Aushängeschild Nielsen

Die dänische Musik, in Deutschland immer noch weitgehend unbekannt, verdankt ihre internationale Reputation fast ausschließlich einem Komponisten: dem von der Insel Fünen gebürtigen Carl Nielsen. Er war der erste begabte Nachwuchskünstler, der auf eine Ausbildung im Ausland verzichtete. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war es nämlich seit den Tagen eines Niels Wilhelm Gade üblich, sich am Leipziger Konservatorium, eine der anerkanntesten Bildungsstätten für Musik, in Tonsatz und Soloinstrument zu vervollkommnen.

Wenn auch sein Ruhm hauptsächlich auf seinen sinfonischen Werken beruht, so hinterließ Nielsen doch zwei Opern, die für die dänische Musikgeschichte von außerordentlicher Bedeutung sind. Das biblische Drama „Saul und David“ von 1902 war ein erster Achtungserfolg und zeigte, dass auch ein Däne mit eigenständiger Ausdruckskraft bestehen konnte. Mit der komischen Oper „Maskarade“ jedoch schrieb Nielsen ein Werk, das als vielleicht einzige Musiktheaterproduktion des kleinen Königsreichs auch außerhalb der dänischen Grenzen für Aufmerksamkeit sorgte.

Århus Musikhuset

 
 

Nur im Sommer bespielt: Schlosstheater Drottningholm. Foto: Theater

 

Ähnlich den schwedischen Bestrebungen um Dezentralisierung beschloss man 1947, ein Gegengewicht zur Hauptstadtkultur im weitaus größten Landesteil, dem festländischen Jütland, zu errichten. Die Standortwahl war dabei alles andere als ein Zufall: Århus, an der Ostküste Jütlands strategisch günstig gelegen, profitiert von der relativen Ferne zur Hauptstadt Kopenhagen. Historisch und wirtschaftlich vereinigen sich hier alle Erfordernisse eines nationalen Kulturzentrums.

Mitten in der Stadt steht seit 1982 das „Musikhuset“, ein kombiniertes Konzert- und Theatergebäude mit multifunktionalen Sälen und zukunftsweisender Architektur. Im „Musikhuset“ residiert, sofern sie nicht auf ihren Tourneen das Musiktheater ins Land bringt, die dänische Nationaloper. Seitdem das „Musikhuset“ die technischen Voraussetzungen bietet, wurden auch hochkomplizierte große Werke von Richard Wagner oder Strauss realisiert. Der „Ring“ aus Århus wurde nach seiner Wiederaufnahme 1996 von den Kritikern der Fachzeitschrift „Opernwelt“ zur Aufführung des Jahres gekürt. Die dänische Musik und ihr Musiktheater, in großen Teilen noch zu entdecken, sind häufig als abhängig vom mitteleuropäischen main stream abgetan worden. Man sprach in Musikologenkreisen dann gern von der „Suche nach der eigenen Stimme“. Tatsächlich ist das dänische Musiktheater nach 1945 regelrecht explodiert.

Grenzüberschreitungen

In einer Gesellschaft, die nicht starr auf kulturellen Traditionen beharrt, sind Neuerungen leichter durchzusetzen. Davon zeugen auch die attraktiven Festivals und gut besuchten Experimente der Grenzüberschreitung. In Dänemark, wie in ganz Skandinavien, spricht man dann nicht modisch von cross over, sondern hat den Begriff „Fusionsmusiken“ geprägt. Unterschiedliche Stile und Kategorien verbinden sich, fusionieren und ergeben so eine neue Sicht auf die Welt. Protagonist eines solchen Universalismus ist der heute wohl bedeutendste Komponist Per Nørgård.

Als Schüler Vagn Holmboes, der mit seinen Streichquartetten eine höchst eigenwillige Alternative zur Zwölftonmusik schuf, hat Nørgård seine Liebe zu Sibelius und Bartók in seine Werke einfließen lassen, aber im Sinne einer Metamorphose. Nach seinen Besuchen der Darmstädter Ferienkurse rebellierte er gegen die Unnachgiebigkeit und Intoleranz mancher dort präsentierter Ergebnisse und Ideen. Er hat für die Bühne mehrere szenisch-musikalische Aktionen komponiert, jedoch auch abendfüllende Werke wie „Siddharta“ oder „Gilgamesch“. Seine Hinwendung zu östlicher Philosophie ist jedoch nicht Attitüde oder modisches Beiwerk. Sie entspringt tiefer Überzeugung und ernsthafter Suche. Nørgårds Rolle ist die des musikalischen Mentors in einer sich auch international allmählich durchsetzungsfähig zeigenden dänischen Musikszene.

Traditionsdefizit

Im Reigen des nordischen Opernschaffens nimmt sich im Grunde nur Norwegen bescheidener aus. Im Land der Fjorde und Trolle, vor allem aber der langen Wege und der erste spät einsetzenden ökonomischen Erfolge fehlt es – neben der Oper in Oslo – weitgehend an Aufführungsstätten, vielleicht auch ein wenig an Dynamik und Bewusstsein in diesem Punkte. Den Hintergrund bildet ein gewisses Traditionsdefizit, das ausgerechnet der nach wie vor bedeutendste Komponist des Landes, Edvard Grieg, mit verursacht hat. Immerhin schlug er das Angebot Henrik Ibsens aus, gemeinsam eine Nationaloper zu kreieren. Edvard Griegs Ruhm und Renommee trug dennoch viel dazu bei, das Verständnis und die Offenheit für die Oper zu wecken. 1908 wurde sein Torso gebliebenes Werk „Olaf Tryggvason” opus 50 in der Hauptstadt gespielt, eine Initialzündung für eine nach langer politischer Abhängigkeit erwachende nationale Begeisterung.

 
 

Zukunftsweisende Architektur: „Musikhuset“ in Århus. Foto: Pressestelle

 

Doch bis zur offiziellen Gründung der Norske Opera vergingen nochmals über fünfzig Jahre. Die weltberühmte Sopranistin Kirsten Flagstad setzte es durch, dass 1959 die Nationaloper formell entstehen konnte.

Die norwegische Oper, von jeher ein Unikum unter den Bühnen Europas, wird sich zukünftig durch den geplanten Neubau der Oper in Oslo stark verändern. Werke aus dem Inland treten verstärkt in den Vordergrund der Spielpläne und auf Festivals und bei Liebhaberbühnen ist das Genre mittlerweile sehr beliebt. In etwa 15 Städten Norwegens werden im Sommer neben Konzerten auch Opern produziert, wobei die heimliche Metropole für Musiktheater das kleine Kristiansund geworden ist.

Nachwuchssorgen plagen die junge Nationaloper; Sänger und Sängerinnen wandern ins europäische Ausland ab, wo mehr Geld verdient wird und es vielfältigere Chancen für Karrieren gibt; Orchestermusiker und Chorsänger sind trotz der Einrichtung einer Opernhochschule in Oslo nur unter Mühen zu rekrutieren. So ist Oper in Norwegen immer noch eine Herausforderung, die alle gesellschaftlichen Kräfte fordert.

Armin Diedrichsen und Jochem Wolff

Den 2. Teil des Berichts lesen Sie in „Oper & Tanz“ 6/03.

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