Da ist zunächst die Höhe des Abschlusses, die als unerwartet zu bezeichnen entweder einige Weltfremdheit verrät oder den Versuch, unzulängliche Einstellungen in den Haushalt zu begründen. Seit April 2003 hatten die Gewerkschaften sich ungeachtet sinkender Netto-Reallöhne auf Einmalzahlungen eingelassen. Über den auch aus Kreisen der Berliner Koalition propagierten „kräftigen Schluck aus der Pulle“, der in der Tarifrunde 2008/09 angesichts von Wirtschaftswachstum und Inflationsrate fällig sei, bestand also dem Grunde nach, wenn auch leicht resignative Einigkeit. Bemerkenswert ist ebenso die Struktur des Abschlusses: im Jahr 2008 eine Anhebung aller Monatsentgelte um 50 Euro plus einer linearen Steigerung um 3,1 Prozent, der 2009 weitere 2,8 Prozent sowie eine Einmalzahlung in Höhe von 225 Euro folgen sollen (für 2008 wurde dieser Abschluss in etwa in die Gagenregelungen des Normalvertrags Bühne-Kommunen bereits übernommen). Anders als Einmalzahlungen, die, wie ihr Name sagt, nur von einmaliger Wirkung, also nicht bleibend „tabellenwirksam“ sind, bewirkt die Anhebung der Entgelte um einheitlich 50 Euro eine auf Dauer wirksame, sozial gespreizte Anhebung zwischen rund 7,5 Prozent für die unteren, rund 4,0 Prozent für die oberen Gehälter. Das war sozialpolitisch gewollt. Schwer verständlich, eigentlich skandalös zu nennen sind jetzt die Reaktionen einiger Rechtsträger kommunaler Bühnen auf diesen Tarifabschluss. Als hätten sie nicht gewusst, dass am Theater durchschnittlich schlecht verdient wird, zeigen sie sich empört, dass der Tarifabschluss angesichts der vielen kleinen Gehälter mit daraus sich ergebendem Zuwachs von sechs bis sieben Prozent überdurchschnittlich teuer erscheint. Und diesen Zuwachs, meinen sie obendrein, könne das Theater doch selber erwirtschaften, zumal das leider in einigen Zuwendungsverträgen mit in privater Rechtsform betriebenen Bühnen ausdrücklich so geregelt ist. In unserer Rubrik „Brennpunkte“ haben wir Beispiele aufgelistet, bei denen vor allem die in jedem Fall gen Himmel stinkende mal Ignoranz, mal Tätigkeitsunlust der (Kultur-)Politiker auffällt: Statt in der diagnostizierten, ihnen bekannten Dauerkrise geduldig und vor allem gemeinsam mit den betroffenen Theatern an langfristigen, auch sozialverträglichen Lösungen zu arbeiten, verfallen sie periodisch oder aus gegebenem Anlass, wie zum Beispiel dem einer Tarifbewegung, hackebeilschwingend in politische Veitstänze. Das ist besonders bedauerlich, wenn das Theater oder das Orchester einer mittleren Kommune, oft genug mit Unterstützung Dritter, dem bundesweit zu erkennenden guten Trend folgt, sich bildungspolitisch zu vernetzen, sei es in der Kooperation mit Kindergärten und Schulen, sei es durch Pflege des Kinder- und Jugendtheaters. Dem Eindruck sich zu verschließen, die deutsche Provinz werde immer provinzieller, fällt schwer. Ihr Stefan Meusche |
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