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Kulturpolitik

Brennpunkt

Immer in Bewegung? – Die Deutsche Tanzkompanie Neustrelitz

In der deutschen Tanzlandschaft gibt es eine Kompanie, die in mancherlei Hinsicht anders ist. Vor allem aber ist sie derzeit so gefährdet wie keine andere: die Deutsche Tanzkompanie (DTK) Neustrelitz. Anders als der Name vermuten lassen könnte, handelt es sich um keine Bundesinstitution. Verfasst als gemeinnützige „Stiftung für traditionellen Tanz im Land Mecklenburg-Vorpommern“ wurde sie 1991 in der Nachfolge des vormaligen Staatlichen Folkloreensembles aus der Taufe gehoben. Sie ist fester Bestandteil der professionellen Theater- und Tanzlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern, zugleich das „Haus“ mit der größten Präsenz außerhalb dieses Bundeslandes. Programmatisch war die Arbeit mit traditionellem Tanzmaterial, frei interpretiert. Die Beschäftigung mit Traditionen, Bräuchen, Legenden, Fragen nach Urthemen und übergreifenden Zusammenhängen sind die dramaturgische Grundlage für die weitere Entwicklung.

Stilistisch und inhaltlich hat das Tanztheater Tom Schillings, das einst an der Komischen Oper Furore machte, die Kompanie geprägt. Als Choreografen der letzten zwei Jahrzehnte sind beispielsweise Thomas Vollmer, Jan Linkens, Joel Schnee, Ralf Dörnen, Torsten Händler, ab 2016 Lars Scheibner und zuletzt auch Jutta Ebnother zu nennen.

Als professionelles Gastspiel- und Tourneetheater mit eigenem Produktionssitz (sowie angeschlossenem Tanzhaus für Amateure) war und ist die Deutsche Tanzkompanie in Mecklenburg-Vorpommern bundesweit und im Ausland zu erleben. Beginnend mit der Jahrtausendwende und immer stärker nach 2010 hat die DTK auch Aufgaben am Theaterstandort Neubrandenburg/Neustrelitz übernommen. Über eine feste Kooperation ist die Kompanie sowohl in die Neustrelitzer Schlossgartenfestspiele als auch regelmäßig in Produktionen der Theater und Orchester GmbH eingebunden. Überdies sind die eigenen Tanztheater-Produktionen (gleich ob für Erwachsene oder ein Familienpublikum) in den Spielstätten der Region stark nachgefragt. So ist in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Publikumsbindung entstanden. Die Deutsche Tanzkompanie scheut sich nicht vor den Herausforderungen ungewöhnlicher Spielorte, erschließt neue Räume für den Tanz, ist ein kultureller Botschafter für das Land Mecklenburg-Vorpommern.

Die stilistische Breite hat dabei über Jahre eine Ausweitung erfahren; erst hin zum zeitgenössischen Tanz mit starkem Bezug zu traditionellen Stoffen. Gleichzeitig ist es auch in Operette, Opernball, Musical (aktuell gar Swing und Stepp) und neoklassischem Ballett gefordert. Diesen Erfolgen und (künstlerisch wie logistisch) gewachsenen Anforderungen durch enge Kooperation und Verflechtung einerseits und eigenständige Produktions- und Tourneeprozesse andererseits stehen die Finanzierungssituation und damit auch die strukturellen und räumlichen Produktionsbedingungen konträr entgegen. Versprechungen des Landes wurden nicht umgesetzt.

Nachdem der inzwischen fast schon vergessene Kulturminister Mathias Brodkorb das nordöstlichste Bundesland mit desaströsen, vermeintlichen „Theaterreform“-Plänen blamierte, scheint Ruhe in die Theaterbetriebe eingekehrt zu sein. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist es zu danken, dass die Theater und die Beschäftigten bis 2028 sicher arbeiten können, wenn auch wegen gestiegener Kosten und bisher nicht gegenfinanzierter Tarifsteigerungen nicht sorglos. Einzig für die Deutsche Tanzkompanie gilt das nicht. Trotz gegenteiliger Versprechungen ist sie als einziger Theaterbetrieb vom sogenannten Theaterpakt ausgeschlossen. Aufgrund eines Federstrichs im Landeshaushalt ist die direkte Mittelzuweisung des Landes seit 2017/2018 weggefallen. Über Jahre und Jahrzehnte verweigerte Mittelanpassungen hatten bis dahin wie überall praktisch jährliche Einsparzwänge (und Personalreduzierungen) zur Folge. Seit 2018 gibt das Land Mecklenburg-Vorpommern statt zuvor 950.000 € nur noch 500.000 € jährlich (und diese über einen 2025 auslaufenden Sonderfond). Der künstlerische Betrieb konnte dank zusätzlicher kommunaler Mittel aufrechterhalten werden, jedoch mit Einschränkungen: Ohne Gäste musste das Ensemble von damals noch 16 Mitgliedern auf 10 beziehungsweise 8 Tänzer*innen „geschrumpft“ werden, der gesamte Betrieb umfasst derzeit 20,5 Vollzeitäquivalente. So gleichen erreichte Leistungen einem „Ritt auf der Rasierklinge“ – trotz eines einzigartigen Einspielergebnisses von rund 30 Prozent, guter Kritiken, besten Publikumszuspruchs und ausgeprägter Selbstausbeutungsbereitschaft.

Die kommunale Unterstützerfamilie hat dem Land zusammen mit der Stiftung ein Finanzierungsmodell vorgelegt, das sich am Theaterpakt mit seinen Gehaltssteigerungen und Dynamisierungen orientiert und das Planungssicherheit böte. Erste Gespräche haben stattgefunden. Die zuständige Fachministerin Bettina Martin erklärt glaubhaft, dass man Lösungen suchen und im Laufe des Jahres 2024 finden wolle. Allerdings müss-ten längst die Planungen für den Gastspielbetrieb 2025/2026 laufen. Unverständlich bleibt auch, warum mit allen anderen Theatern Gespräche über „Nothilfen“ laufen, während sich die Situation bei der DTK weiter zuspitzt. Die Beschäftigten der Tanzkompanie sind keine Künstler zweiter Klasse. Doch genau so müssen sie sich fühlen. Das trifft auch eine weite und ländlich geprägte Region, deren Identität stark mit der hier beheimateten Kultur verbunden ist. So verwundert der breite Rückhalt in der Bevölkerung nicht – gerade erst haben Theaterförderverein und Publikumsinitiative nahezu 10.000 Unterschriften auf „Postkarten für Frau Schwesig“ in Schwerin übergeben. Sie fordern Sicherung der Leistungsfähigkeit und eine Zukunft für die Deutsche Tanzkompanie!

Marco Zabel

  • Der Autor dieses Gastbeitrags ist Vorstand und Geschäftsführender Direktor der Deutschen Tanzkompanie.

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