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Zwischen Ballett und Revuetheater: Roland Petit
Roland
Petit, wohl die prägendste Choreografen-Persönlichkeit
Frankreichs nach 1945, war einst selbst als eigenwilliger Tänzer
mit maskulin-erotischer Ausstrahlung und Eleganz ein Publikumsliebling.
9-jährig wurde er – gemeinsam mit seiner späteren
Frau Zizi Jeanmaire – unter Serge Lifar an der Ballettschule
der Pariser Oper ausgebildet und 1940 ins Ballettkorps übernommen.
1944 kündigten beide und Roland übernahm von 1945 bis
1948 die Leitung der Ballets des Champs-Élysées.
Damals entstand für den Ausnahmetänzer Jean Babilée
eine seiner bedeutendsten Choreografien: „Le jeune homme
et la mort“ (1946). 1948 gründete er seine eigene Compagnie, die „Ballets
de Paris“. Fixstern dieser über zwei Jahrzehnte saisonal
bzw. für jede Tournee neu zusammengestellten Truppe, die als
erstes Klassikensemble den Broadway eroberte, wurde Zizi Jeanmaire.
Mit „Carmen“ glückte
1949 der Durchbruch. Nachdem ihm 1970 das Ballett der Pariser Oper
die Führungsposition anvertraut hatte, nahm Petit bald wieder
Abstand von dem Posten, um bis 1975 dem Casino de Paris, einem
Revuetheater, vorzustehen. Parallel dazu übernahm er 1972
die Direktion des Ballet National de Marseille, das er nach seinen ästhetischen
Vorstellungen formte und bis 1998 weltweit erfolgreich präsentierte.
In seinen zahlreichen Handlungsballetten ging Petit oft von literarischen
Vorlagen aus, die er, gestützt auf das klassisch-akademische
Bewegungsfundament und emotional aufgeladen, in Stationen nacherzählte.
Keine ätherischen Schöpfungen, sondern kraftvolle Menschen
aus Fleisch und Blut mit Gefühlen und tiefen Empfindungen
durchleben bis heute die Dramatik seiner Werke, wobei Tänzerinnen
wie Tänzer gleichermaßen virtuos in Erscheinung treten.
Am 10. Juli ist der Choreograf im Alter von 87 Jahren in Genf
gestorben. Anfangs angetrieben von dem Drang zu erneuern, wandelte
er sich
im Lauf seiner Karriere zu einem prominenten Verfechter der Kunstform
Ballett. Seine Tanzkreationen werden bleiben. [Vesna Mlakar]
Tanzförderung der Bundeskulturstiftung geht weiter
Auch nach Ende der Initiative Tanzplan Deutschland führt
die Kulturstiftung des Bundes ihr Engagement für den Tanz
fort. Ziel ist die Verankerung des Tanzes in die Gesellschaft:
durch die künstlerische Auseinandersetzung der Tanzszene mit
ihrem eigenen Erbe und die Öffnung der Tanzräume für
Schulen. Die neuen Programme „Tanzfonds Erbe“ und „Tanzfonds
Partner“ sind mit einer Fördersumme von je 2,5 Millionen
Euro ausgestattet. „Tanzfonds Erbe“ soll künstlerische
Projekte zur Aufarbeitung und Vermittlung des Tanzerbes des 20.
Jahrhunderts ermöglichen. „In Gesprächen mit Tanzensembles
an deutschen Bühnen und mit freien Tanzcompagnien zeichnete
sich die Erkenntnis ab: Die Pflege des Kulturerbes ist zwar gewünscht,
aber die bestehenden Kapazitäten reichen oft nicht aus,“ so
Projektleiterin Madeline Ritter. Projektleiter Ingo Diehl ergänzt: „Mit
der neuen Förderinitiative werden Mittel zur Verfügung
gestellt, um das bislang kaum zugängliche Erbe des Tanzes
für das Publikum sichtbar zu machen. Den Akteuren bietet sie
die Möglichkeit, sich mit dem his-torischen Material künstlerisch
auseinanderzusetzen.“
„Tanzfonds Partner“ initiiert Kooperationen zwischen
Tanzinstitutionen und Schulen. Das Interesse an engagierten Projekten,
in denen Kinder
und Jugendliche Tanz erleben können, sei groß, erklären
die Projektleiter. „Doch im Vergleich zu anderen Kunstsparten
sind die öffentlichen Ausgaben für pädagogische
Tanzprojekte gering. Hier schließt ‚Tanzfonds Partner‘ eine
Lücke.“ Entscheidend dabei sei: Schülerinnen und
Schüler suchen die Theater und Wirkungsstätten des Tanzes
selbst auf. Sie erarbeiten gemeinsam mit Choreografen und künstlerischen
Teams Tanzproduktionen.
Musikmensch: Zum Tod Vicco von Bülows
Kaum ein Wort fällt bei der Charakterisierung von Loriots
Humor häufiger: Timing. In seinen gefürchteten Proben,
bei denen nicht gelacht wurde, ging es vor allem darum, die Texte
so mit Betonungen, Beschleunigungen und Pausen zu durchsetzen,
dass sie ihre volle Wirkung entfalten konnten, mit anderen Worten:
sie zu phrasieren. Insofern verwundert es nicht, dass die Musik
im Schaffen Vicco von Bülows eine solch zentrale Rolle spielte.
Viele seiner berühmtesten Sketche haben mit Musik zu tun (der
Kunstpfeifer, das Jodeldiplom, der Klaviertransporteur als Dirigent
der Berliner Philharmoniker…), nach seinem Rückzug vom
Fernsehen trat er mehrfach als Moderator und Erzähler in Konzerten
auf. Seine Version des „Karnevals der Tiere“ entwickelte
sich ebenso zum Klassiker wie sein kluges Kondensat des „Rings
des Nibelungen“, seine Zwischentexte zu Bernsteins „Candide“ machten
eine Inszenierung überflüssig. Zwei Opernregiearbeiten
(„Martha“ in Stuttgart, „Freischütz“ in
Ludwigsburg) fielen dann vergleichsweise milde aus, köstliche
Details wie das Tristan-Zitat und der stumme Auftritt Richard Wagners
gingen allerdings in die Rezeptionsgeschichte von Flotows Oper
ein. Am 22. August ist Vicco von Bülow in Ammerland am Starnberger
See im Alter von 87 Jahren gestorben. In seinem letzten Interview
antwortete er auf die Frage, was auf seinem Grabstein stehen solle: „Zweckmäßig
wäre es, wenn mein Name draufstünde.“ jmk
Staatsziel Kultur noch nicht vom Tisch
In
einer kleinen Anfrage hat die SPD-Bundestagsfraktion im Bundestag
Auskunft zum Thema „Umsetzung von Vorhaben und Vorschlägen
zur Förderung von Kunst und Kultur durch den Bund“ von
der Regierung gefordert. Diese hat in ihrer Antwort ausdrücklich
das Vorhaben, das Staatsziel Kultur in die Verfassung aufzunehmen,
herausgehoben. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats,
Olaf Zimmermann, erklärte sich zufrieden mit dieser eindeutigen
Aussage, drängt die Regierungskoalition jetzt allerdings zum
Handeln: „Das Staatsziel Kultur im Grundgesetz ist schon
seit Jahren überfällig. Wenn es noch in dieser Legislaturperiode
ins Grundgesetz aufgenommen werden soll, muss jetzt umgehend gehandelt
werden. Die Zeit wird knapp!“
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