Dass die Feierlaune angesichts dieser dunk-len Wolken am Opernhimmel beim Chor momentan etwas getrübt ist, mag nachvollziehbar sein. Dabei hatte die Jubiläumssaison musikalisch so fulminant mit der Neuinszenierung der Oper „Turandot“ begonnen. Im November 2010 erschien die große, reich bebilderte Festschrift „75 Jahre Bonner Opernchor“, die in der Redaktion einiger Opernchormitglieder entstand. Die Geschichte des Chors wird durch Zeitzeugenberichte und historische Fotos illustriert. Neben verschiedenen interessanten Artikeln über den Beruf des Opernchorsängers enthält sie auch Grußworte prominenter Wegbegleiter sowie vieler namhafter Dirigenten und Regisseure, die von der gemeinsamen Arbeit mit dem Chor berichten. Ein Geschenk des Hauses an alle Opernchorfans war das große
Jubiläumschorkonzert mit dem Beethoven Orchester Bonn im Dezember
2010 unter der Schirmherrschaft von Kammersängerin Edda Moser.
Der Opernchor präsentierte unter dem Dirigat von Chor- Neben „Turandot“ und „Carmen“ steht in dieser Spielzeit als Neuinszenierung auch die selten gespielte Oper „Irrelohe“ von Franz Schreker auf dem Spielplan. Die Premiere im November 2010 wurde als Live-Mitschnitt auf einer CD veröffentlicht. Auch die Oper „Der Golem“ von Eugene D‘Albert mit dem Beethoven Orchester Bonn wurde unter Leitung von GMD Stefan Blunier live eingespielt. Weitere empfehlenswerte CD-Rarität mit dem Bonner Opernchor ist die Oper „Il Guarany“ des Komponisten Antonio Carlos Gomes; 1995 wurde sie mit Placido Domingo in der Hauptrolle in der Bonner Oper an fünf Abenden live eingespielt. Etwa 110 Vorstellungen pro Spielzeit singen die Mitglieder des Bonner Opernchors. Geteilte Dienste sind wegen der geringen Größe des Ensembles nur in Ausnahmefällen möglich, wie zum Beispiel in dieser Spielzeit bei der Wiederaufnahme von „Don Giovanni“. Pro Jahr werden sechs bis sieben Neuinszenierungen erarbeitet und bis zu drei Produktionen wiederaufgenommen. Bei gro-ßen Opern wird der Chor durch einen für die jeweilige Produktion zusammengestellten Extrachor verstärkt. Das Repertoire reicht quer durch alle Genres, Epochen und Stile: von Adam bis Ziehrer, von Vivaldi bis Verdi, von Händel bis Henze, von Gluck bis Glass.
Große Erfolge feierte der Chor in den Jahren 2001 bis 2005 mit den von Regisseur Dietrich Hilsdorf szenisch umgesetzten Händel-Oratorien „Saul“, „Belsazar“ und „Jephtha“ unter der Leitung des Dirigenten Jos van Veldhoven. Zeitgleich zu „Belsazar“ arbeitete der Chor damals an der Oper „Satyagraha“ von Philip Glass: Händels wuchtige Chorfugen als Kontrastprogramm zu in Sanskrit gesungener Minimalmusik. Das Auswendiglernen der „Satyagraha“-Textverse
war für die Chorsänger eine echte Herausforderung. Die
musikalische und szenische Umsetzung mit Dirigent Ulrich Windfuhr
und Regisseur Silviu Purcarete war ein Höhepunkt in der Chor-Geschichte. Neue Musik und RockgesangAuch den besonderen Anforderungen des neuen experimentellen Musiktheaters stellt sich der Bonner Opernchor bewusst. Erfordert es das künstlerische Gesamtkonzept, werden aus Chorsängern auch schon einmal singende Roboter. Allerdings: Seitenlang nur zweigestrichenes g zu singen, wird für den Sopran irgendwann langweilig, und auch die Bässe möchten nicht die halbe Oper lang in Tieftonzonen à la Sarastro verweilen. Mehr Spaß bereitete den Damen des Chors in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit der hauseigenen Rockband des Bonner Schauspiels, „The Mann Mann Mann Manns“, oder 2001/2002 das Bader-Meinhof-Stück „Alzheimer“ des Komponisten FM Einheit mit der Band „Einstürzende Neubauten“. Klassische Klangfülle durfte der Chor bei der Uraufführung der Oper „Freaks“ von Moritz Eggert in der Spielzeit 2007/2008 präsentieren. Dass Individualität und Homogenität nicht im Widerspruch stehen, beweist die Bonner Chorgemeinschaft immer wieder aufs Neue. Alle 38 Mitglieder des Chors haben in den letzten Jahren solistische oder chorsolistische Aufgaben übernommen. Für ein A-Haus werden sehr viele kleine und mittlere Partien mit Kräften aus dem Chor besetzt. Das Ensemble diente auch immer wieder jungen Sängern als Karrieresprungbrett, viele Solisten sind daraus hervorgegangen.
Wer sich für eine Stelle im Bonner Opernchor bewirbt, muss zwar als Pflichtstück keine Chorstellen aus der „Neunten“ von Beethoven vorbereiten. Als Opernchormitglied in Beethovens Geburtsstadt wird er allerdings regelmäßig bei Aufführungen der neunten Sinfonie singen. Neben den diversen saisonalen Verpflichtungen im Opernhaus – wie Auftakt-, Neujahrs- und Kehrauskonzerten – ist der Chor auch regelmäßig Gast beim Internationalen Beethovenfest Bonn. Im September 2009 wirkte er bei der Aufführung von Gus-tav Mahlers achter Symphonie („Symphonie der Tausend“) mit. Zu Ostern 2009 sang der Opernchor unter Leitung von Nello Santi das Verdi-Requiem in der Beethovenhalle und der Herrenchor wirkte zudem bei Busonis Konzert für Klavier, Männerchor und Orchester in der Kölner Philharmonie mit. Regisseure und Choreografen sind immer wieder von der Spielfreude und dem Bewegungstalent des Bonner Chorensembles begeistert. Egal ob Charleston in der „Herzogin von Chicago“, ein flotter Schuhplattler in Rameaus „Dardanus“ oder der locker aus der Hüfte swingende „Einzug der Gäste“ im „Tannhäuser“, die rheinische Lebensfreude scheint diesem Ensemble in den Beinen zu stecken. Die 38 Sänger-Darsteller freuen sich immer, wenn sie individuelle Rollen spielen dürfen und nicht nur als Masse inszeniert sind. Brigitte Jung ist Mitglied des Bonner Opernchors.
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