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Wir gründen eine Gewerkschaft

Am Sonntagmorgen steht niemand gerne früh auf, es sei denn, es stehe etwas Wichtiges bevor. Uns war nicht von Anfang an klar, was an diesem Sonntag alles passieren würde. Es war der 4. Februar 1990, Georg Nischik und ich saßen in seinem alten Trabi und fuhren nach Berlin. Die am 10.12.1989 gegründete „Vereinigung der Theater- und Rundfunkchöre der DDR“ hatte ihre zweite Zusammenkunft. Was war in der Zeit dazwischen alles geschehen? Über die politischen Ereignisse zu schreiben, würde den Rahmen sprengen. Aber gingen wir Anfang Dezember noch davon aus, es würde sich eine neue DDR formieren, so waren wir zwei Monate später nicht mehr sicher, ob die Rufe „Deutschland einig Vaterland“ nicht bald Wirklichkeit werden sollten.

Es hatte in diesen Monaten schon manche Kontakte zwischen Opernchören der DDR und der BRD gegeben. So hatten auch wir Leipziger unsere Partnerstadt Hannover besucht. Wir wurden nicht nur vom dortigen Opernchor herzlich empfangen, es gab auch erste Kontakte zur VdO. Gemeinsam mit unseren Kollegen aus Halle und Magdeburg lernten wir Günter Meyer, den damaligen Landesvorsitzenden, und – besonders beeindruckend – den Gründungsgeschäftsführer und Ehrenvorsitzenden der VdO, Walter Kane, kennen. Das sollte Folgen haben: „Herr Heymann, bitte organisieren Sie ein Treffen aller Vertreter der großen Berufschöre aus dem Süden der DDR, für Donnerstag, den 1. Februar 1990. Ich bin am Nachmittag in Leipzig und wir müssen aktiv werden.“ Es war eine eindringliche Bitte, die den leichten Anschein eines Befehls hatte. Also, Widerspruch war nicht erlaubt und von diesem Moment an war meine private Ruhe für lange Zeit entschwunden. Es dauerte gute zwei Tage, bis ich alle informierte, die gewünscht waren, und ein großer Teil kam dann auch nach Leipzig ins Restaurant „Panorama“ im Uni-Riesen. Hier gab es eine umfassende Aufklärung über die VdO, ihre Arbeit, ihre Ziele und den Schutz, den sie bietet. So dass am Ende die Gründung eines Arbeitskreise Süd stand, für die Vorbereitung der Versammlung der Vereinigung der Theater- und Rundfunkchöre der DDR.

Nun saßen wir also im Trabi und diskutierten heiß darüber, wie und wann wir etwas Ähnliches wie die VdO zustande bekommen, ob die anderen Opernchorvertreter diesen Weg mitgehen wollten. Auf alle Fälle entwarfen wir einen kleinen Text, den Antrag zur Gründung einer VdO/DDR.

Das Treffen, welches im Chorsaal der Staatsoper stattfand, begann mit Berichten der einzelnen Vertreter der Chöre, mit Aufstellen von Forderungen, die wir an eine zukünftige Staatsregierung haben und dem Warten auf Walfriede Schmitt, einer autorisierten Vertreterin des FDGB. Bis sie kam, ging es ziemlich heiß her. Was wollen wir wie erreichen und mit wem? Als sie dann kam und die Fragen und Probleme hörte, konnte sie keine ausreichende Antwort geben. Ihr einziger Appell war, wir sollen im FDGB verbleiben und etwas Geduld haben. Dies reichte den meisten nicht aus, und so stellte ich unseren im Auto formulierten Antrag auf Gründung einer eingeständigen Berufsgruppengewerkschaft vor. Die Wogen schlugen nochmals hoch und wir machten eine Pause. Nach dieser übergab Walter Naveau uns die Leitung der Versammlung. Wir stellten den Chorvertretern das Modell VdO vor, bekamen Hilfestellung von den anwesenden VdO-Mitgliedern und ihrem Geschäftsführer Bruno Lehmann und nach circa einer Stunde gründeten wir mit 54 der 55 Anwesenden die VdO/DDR.

   

Erinnerungen an die Zeit der Wende: Thomas Heymann, Mitglied des Chores der Oper Leipzig und des Bundesvorstandes der VdO.

 

Nun brauchten wir eine Satzung, um arbeiten zu können. Die Zeit war schon weit fortgeschritten und einige wollten in ihre Quartiere. So stellten wir eine kleine Arbeitsgruppe zusammen, die in der Staatsoper verblieb, um die Satzung der VdO (West) für uns umzuarbeiten.

Es war nach Mitternacht, als wir zwei Trabifahrer in unserem Quartier waren, uns auf die Liegen legten und kurz vor dem Einschlafen feststellten: „Wir haben heute eine Gewerkschaft gegründet“. Es war die erste freie Gewerkschaft der DDR.
Als wir uns am 5. Februar am Vormittag im Chorsaal der Staatsoper wiedertrafen, diskutierten wir, wie es nun weitergehen sollte. Der erste Schritt war getan, auch wollten wir nicht alles kopieren, wie es in der Bundesrepublik war. Eins war uns bewusst: die neue Gewerkschaft, von uns gegründet, lag voll in unseren Händen. Eigenverantwortung! Hilfe vom alten FDGB gab es nicht und wollten wir nicht. Es war uns aber auch bewusst: ganz allein ging es nicht. Die VdO der Bundesrepublik versprach uns Hilfe beim Aufbau und bei der Organisation, aber rechtlich waren wir noch ein anderes Land. Wir waren uns einig, dass auch wir, wie die VdO drüben die DAG hatte, uns einen Partner suchen mussten, aber den gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Gründungsversammlung beauftrage Georg Nischik und mich mit der Gründungsgeschäftsführung. Die Berliner und Dresdner Kollegen und Kolleginnen bekamen die Aufgabe, sich mit der Erarbeitung eines neuen Tarifrechtes zu befassen.
Gegen Mittag kam die Satzung kopierwarm aus der Deutschen Oper. Helmut Lang hat das von uns in der Nacht erarbeitete Werk dort abschreiben und vervielfältigen lassen. Jedes Gründungsmitglied bekam eine und wir gingen diese gemeinsam durch. Ein paar kleine Änderungen wurden vorgenommen, und danach wurde die Satzung verabschiedet.

Da alle Aufgaben verteilt waren, beschlossen wir, uns am 2. April wieder in Berlin zu treffen und fuhren nach Hause.

Jetzt begann die Arbeit. Anfragen mussten meist brieflich beantwortet werden, da die meisten von uns kein Telefon hatten. Am Morgen zwischen 8 und 9 Uhr war ich ständig erreichbar und die Kollegen konnten mich über eine öffentliche Telefonzelle erreichen. Verbale Aufbauhilfen durch Herrn Lehmann und Herrn Kane bekam ich nachts zwischen 24 und 2 Uhr, da tagsüber die Telefonleitungen nach drüben total überlastet waren. Die Ereignisse gingen schneller, als wir in Berlin geplant hatten, ins Land. Die Gründungen und Wahlen der Ortsverbände wurden beschleunigt, Regionalverbände wurden gebildet, und der gewählte Hauptvorstand nahm seine Arbeit auf. So begannen wir uns in unserer Berufsgruppe selbst zu vertreten und unsere Probleme zu lösen, bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, die auch den Zusammenschluß beider Gewerkschaften brachte.

An dieser Stelle sei allen genannten und nicht genannten Mitgliedern, die ihre persönliche Kraft in den Ausbau unserer Gewerkschaft investiert haben, gedankt. Es war eine gute Investition, auch, wenn wir nach zehn Jahren nicht alles erreicht haben, was wir wollten. Der Berufsstand der Opernchorsänger und der Bühnentänzer hat ein Gesicht bekommen.

Thomas Heymann

 

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