In Oldenburg wird die paradoxe Aufgabe, das Leiden an der Ohnmacht der Gefühle mit leidenschaftlichem Engagement darzustellen, grandios gemeistert. Marcia Parks legt als Emilia mit allen Finessen klanglicher Nuancierungskunst die schwermütige Schönheit unter der rauen Oberflächenschicht ihrer Partie frei. Parks’ Emilia macht sängerisch und darstellerisch wahrnehmbar, was den Erotomanen Janácek an dieser Figur fesselte, nämlich die Möglichkeit einer neuen ultimativen Verherrlichung des Opernmythos Frau als Geheimnis, als Wesen von undurchdringbarer Trauer und übermenschlicher Leidensfähigkeit, vor der die Männer auch dieser Oper zu hilflosen Sklaven ihrer planen Wünsche und Hoffnungen verblassen. Peter Vincent kämpft sich achtbar durch die vertrackte Tenorpartie des Albert Gregor, Bernard Lyon verleiht dem Jaroslav Prus seinen sonoren Bariton und Henry Kiichli gewinnt mit prägnanter Deklamation dem trockenen Parlando des Anwalts Dr. Kolenaty ein Höchstmaß an Ausdruck ab. Mit energischem Impetus gehen GMD Alexander Rumpf und das Oldenburgische Staatsorchester die enervierend leere und zugleich doch aufpeitschende Motorik an, mit der die Musik die Zuhörer von den ersten Takten des Vorspiels an nahezu anspringt. Die bizarren Schroffheiten in der Instrumentation präsentiert das Orchester mit überraschender Geschmeidigkeit. Oft sind es gerade die kleinen und kleinsten Chorpartien, die eine exzeptionelle Bedeutung für das Ganze gewinnen. Mit Blick auf Janácek denke man nur an den die Heldin in den Tod lockenden mystischen Wolgachor aus „Katja Kabanowa“. Eine ähnliche dramaturgische Funktion erfüllt auch der von Janácek im Orchestergraben platzierte Herrenchor, der am Ende der Makropulos-Oper einige Sentenzen aus dem Sterbensgesang Emilias repetiert. Wenn Regisseur Mark Zurmühle in Oldenburg den (für seine begrenzten musikalischen Aufgaben von Thomas Bönisch gut präparierten) Chor auf die Bühne bringt und in Sargträgeruniformen sowie von Verwesung gezeichneten Gesichtsmasken auftreten lässt, steht der Tod selbst auf der Bühne, um Emilia zu holen. Mit diesem Tableau setzt Zurmühle ein Fragezeichen hinter die durch die Handlung nahegelegte Philosophie vom Tod als Segen. Mag Emilias Sterben individuell eine Erlösung sein, der Tod an sich bleibt schrecklich, grausam und unerbittlich. Zurmühles Inszenierung im kargen Einheitsbühnenbild mit dunkelrot grundierten Blattmustertapeten (Bühne: Eleonore Bircher) überzeugt durch eine psychologisch differenzierte Personenführung und findet besonders im Zusammenhang mit den Begegnungen zwischen Emilia und Christa, einer jungen Verehrerin der Sängerin, Bilder von anrührender Poesie. Die Brisanz, die der Oper vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gentechnik zugewachsen ist, wird dagegen ausgeblendet, die Chance zu einer expliziten Auseinandersetzung mit den Illusionen wissenschaftlichen Fortschritts nicht ergriffen.
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