Editorial
Steuerkultur
Wenn ein erfolgreicher Unternehmer sich einen Bugatti als Dienstwagen zulegt, bekommt er dafür von uns Steuerzahlern ein mittleres Einfamilienhaus geschenkt. Dies ist – ebenso wie die Tatsache, dass er dann seine 400km/h-Dienstreisen steuerlich voll absetzen kann – ein unantastbares liberales Grunddogma.
So großzügig kann unser Staat selbst im Steuerrecht sein! Ist er es auch im Bereich der Kultur? Richtig ist, dass das eingangs Gesagte natürlich auch für den Star-Tenor gilt, der so sein Image zu pflegen gedenkt. Aber es gibt tatsächlich – neben der direkten staatlichen institutionellen und Projekt-Förderung diverser kultureller und künstlerischer Aktivitäten – auch ein paar erwähnenswerte spezifische Privilegien, die insbesondere die Kulturwirtschaft beglücken: So gilt für Bücher, den Handel mit urheberrechtlichen Nutzungsrechten sowie Eintrittskarten zu Kino-, Theater- und Konzertveranstaltungen seit jeher der ermäßigte Umsatzsteuer-Satz. Letztere sind teilweise sogar ganz umsatzsteuerbefreit. Eine „Übungsleiterpauschale“ stellt für bestimmte künstlerische (und sportliche) Nebentätigkeiten ein jährliches Honorar von bis zu knapp 0,1 Prozent des Bugatti-Kaufpreises einkommensteuerfrei.
Tobias Könemann. Foto: Pascal Schmidt
Dann wird es aber schon dünn. Im Gegenteil: vielfach werden Künstlerinnen und Künstler vom geltenden Steuerrecht eher benachteiligt. So ist es internationale Praxis, dass grenzüberschreitend tätige ausübende Künstlerinnen und Künstler – vorbehaltlich gegebenenfalls geltender Doppelbesteuerungsabkommen – sowohl im Auftritts- als auch im Heimatstaat zur Einkommensteuer herangezogen werden, was zumindest einen immensen bürokratischen Aufwand mit sich bringt.
Theaterschaffende, die im „geteilten Dienst“ arbeiten und regelmäßig zweimal täglich, davon einmal zu ungünstigen Zeiten, ihre Arbeitsstätte aufsuchen müssen, erhalten die steuerliche Entfernungspauschale, bestätigt durch letztinstanzliches Gerichtsurteil, nur einmal. Wesentliche Begründung: auf Randgruppen kann nicht immer Rücksicht genommen werden. Das private Übezimmer war vom Finanzgericht Köln als eigenständige steuerlich absetzbare Aufwendung anerkannt worden; der Bundesfinanzhof sah dies anders und unterstellte es den strikten und unpassenden Regeln des häuslichen Arbeitszimmers.
Steuererleichterungen, die bei Schichtarbeitern für Nacht- und Wochenendarbeit selbstverständlich sind, sind so ausgestaltet, dass sie bei Theater- und Konzertkünstlerinnen und -künstlern faktisch nicht greifen.
Eine wichtige Erleichterung im Bereich der künstlerischen Ausbildung, die bekanntlich in vielen Bereichen bereits im Kindesalter beginnen muss, steht nun mit dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 auf der Kippe: Die Umsatzsteuerbefreiung für freischaffende Ausbildende, die mit behördlicher Anerkennung auf eine staatliche (Aufnahme- oder gar Abschluss-)Prüfung in einem künstlerischen Beruf vorbereiten. Bedenkt man, dass eine solche frühe Ausbildung in der Regel von Eltern ohne jegliche staatliche Unterstützung über viele Jahre finanziert werden muss, und das mit sehr unsicherem Ausgang hinsichtlich der weiteren Entwicklung, wäre eine derartige 19-prozentige Kostensteigerung ein Schlag ins Gesicht. Entschieden ist noch nichts. Hoffen wir, dass dieser Unsinn sich noch abwenden lässt.
Nimmt man noch das seit Jahrzehnten nicht aufgelöste Status-Dilemma in der Sozialversicherung (in der die KSK natürlich einen unbedingt zu erwähnenden Lichtblick bedeutet!) hinzu, muss man geradezu zu dem Schluss kommen, dass unserem Staat, und da insbesondere dem Gesetzgeber, seine Künstlerinnen und Künstler nicht viel wert sind. Dem sollten die vielfältigen Verbände in den Bereichen von Kunst und Kultur sich deutlich lautstärker und fokussierter als bisher entgegenstellen, auch mit dem „Argument“, dass, wenn es sich bei den Künstlerinnen und Künstlern ja angeblich um eine Randgruppe handelt, die Kosten einer entsprechenden Begradigung des Steuersystems ja im Gesamt-Kontext ebenfalls nur marginal sein würden, gegenfinanzierbar etwa durch eine Begrenzung des Dienstwagenprivilegs – aber mit großem gesellschaftlichem Effekt.
Tobias Könemann
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