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Kulturpolitik

Brennpunkte

Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Nordharzer Städtebundtheater

Nach über zweijähriger intensiver Beratungs- und Verhandlungszeit konnten sich am 28.02.2024 die Gewerkschaften ver.di, unisono, GDBA, VdO und BFFS mit dem aktuell eingesetzten Geschäftsführer Christian Fischer und der von den Rechtsträgern beauftragten Kanzlei eureos in Magdeburg auf einen gemeinsamen Personalüberleitungstarifvertrag verständigen, der nun die wesentlichen Bedingungen für eine reibungslose und möglichst sichere Überleitung der Arbeitsverhältnisse der bisher noch bei dem Zweckverband beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die neu gegründete Harztheater GmbH zum 01.01.2025 regeln soll.

Der Weg dorthin war in den letzten zwei Jahren holprig, da anfangs seitens der Rechtsträger keine Bereitschaft bestand, über die gesetzlichen Regelungen hinaus Regelungen zur Überleitung der Beschäftigten zu verhandeln. Problematisch waren u.a. die ungesicherte Finanzierung der GmbH für die Zukunft sowie fehlende verbindliche Zusagen für die künftige Struktur als Mehrspartenhaus in der bisherigen Leistungsfähigkeit und Personalstärke.

Ein Meilenstein auf diesem Wege waren damit zunächst die für die Haushaltsperiode 2024-2028 abgeschlossenen Finanzierungsverträge, die durch den Interimsgeschäftsführer Fischer mit dem Land vereinbart werden konnten. Weitere wesentliche Inhalte sind neben der Frage der vereinbarten Übergangsmandate des bisherigen Personalrates und weiterer Formalien vor allem die unbedingte Weitergeltung sämtlicher bisher geltenden Tarifverträge für die Harztheater GmbH. Darüber hinaus konnten der Bestand der bisherigen Personalstrukturen im Grundsatz gesichert und Schutzmechanismen für Gewerkschaftsmitglieder hinsichtlich ihrer bestehenden Arbeitsverhältnisse für den Fall einer Insolvenz etabliert werden.

Alle Beteiligten sehen in dem Tarifvertrag eine gute Grundlage für die nachhaltige Fortführung des für diese Region so wichtigen Theaters mit allen bestehenden Sparten und einer gesicherten Zukunft auch über die nächste Finanzierungsperiode hinaus. Der Vertrag steht von allen Seiten noch unter Gremienvorbehalt.

Bayreuth: Der Tragödie zweiter Teil

Im letzten Heft berichteten wir von Plänen der Bayreuther Festspielleitung, das (vor dem Orchesterdeckel) vorletzte Alleinstellungsmerkmal der Festspiele, den großen und bei Publikum und Kritik beliebten Festspielchor von 134 auf 80 Stellen, also gehobenes Stadttheater-Niveau zu stutzen.

Nunmehr hat die Festspielleitung ernstgemacht: Statt zusammen mit Chorvorstand und VdO, wie von diesen ausdrücklich angeboten, konstruktive Einspar-Lösungen zu suchen, sind nun nicht mehr und nicht weniger als 80 Einladungen an Mitglieder des Festspielchors versandt worden. Parallel wird der – nicht zuletzt durch die Presseerklärung der VdO vom 24.11.2023 – aufgeschreckten Öffentlichkeit suggeriert, für die großen Chorpartien stünden weiterhin 134 Sängerinnen und Sänger zu Verfügung, die zum reduzierten „Stammchor“ bedarfsgemäß hinzugekauft würden.

Ob das denn so funktioniert, erscheint – abgesehen von der rechtlichen Fragwürdigkeit eines solchen Vorgehens – mehr als fraglich: Berichten zufolge wurden Vorsingen an zwei Musikhochschulen durchgeführt; dies ergab eine Handvoll geeigneter Kandidat/inn/en. Anfragen an Chöre im osteuropäischen Ausland wurden abschlägig beschieden, ebenso Anfragen bei freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland. Die angebotenen Gagen (genannt wurde uns ein Betrag von 120,- € pro Tag einschließlich aller Spesen) waren wohl nicht einigungsfähig. Ob es anderweitige Stimmenquellen gibt, bleibt abzuwarten. Interessant wäre es allerdings zu wissen, wie denn eigentlich der Chordirektor zu diesen Vorgängen steht und wie er sich z. B. die Probenarbeit vorstellt.

Zum Hintergrund: Seit 1882 hat der Festspielchor fast durchgängig aus 135 oder mehr Mitgliedern bestanden, oft erheblich aufgestockt durch einen Sonderchor. Jüngstes Beispiel: die immer-noch-Festspielchefin gönnte ihrer eigenen „Meistersinger“-Produktion im Jahr 2007 190 Chormitglieder (einschl. Sonderchor). Wieland und Wolfgang Wagner arbeiteten 1955 mit 122 Stellen im Profi-Chor zzgl. 66 Sonderchor, Wolfgang Wagner danach immer mit 134 Stellen, insbesondere in „ringfreien“ Jahren ebenfalls aufgestockt durch 66 Stellen Sonderchor. 2021 wurden corona-bedingt in Absprache mit der VdO 70 Stimmen aus dem Chorsaal übertragen, 2022, ebenfalls in Absprache mit der VdO 100 Sänger/innen auf der Bühne eingesetzt. Die Folge war das Ausbleiben positiver Kritiken für den Chor – diese gab es erst wieder 2023, als wieder 134 aufeinander eingespielte Sänger/innen auf der Bühne agierten und sangen.

Zu hinterfragen sind auch die zu erzielenden Spar-Effekte. Gegenüber der VdO wurden diese von der Festspielleitung nicht primär in der Gagen-Ersparnis gesehen, sondern in der Ersparnis bei Maske und Kostüm. Wenn nun aber, wie öffentlich verkündet, doch 134 Menschen auf die Bühne kommen sollen, brauchen sie – ungeachtet ihres Status – Kostüm und Maske, zuzüglich Gage………

Der Chor hat sich – auf der Basis des ihm vorliegenden dürftigen Zahlenmaterials – sehr konkrete Gedanken darüber gemacht, wie, etwa durch individuell vereinbarte verkürzte Mitwirkungszeiträume, Einsparungen zu erzielen sind, die das vorgegebene Ziel von ca. 8% des Budgets weit übersteigen – ohne künstlerischen Kahlschlag.
Bleibt die Festspielleitung bei ihrer Totalverweigerungs-Haltung, riskiert sie nicht nur den Betriebsfrieden und umfangreiche Gerichtsverfahren hinsichtlich des tarifrechtlichen Status der „zweiten Klasse“, sondern eine weitere Abwendung des Publikums und damit verbundene Reduzierung der Karten-Einnahmen. Spätestens hier sind auch die Rechtsträger gefragt, der Abwärtsspirale Einhalt zu gebieten – sofern dies denn überhaupt gewollt ist.

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