Denn statt himmlischer „Gloria“-Klänge hat Oscarpreisträger Alan Menken poppige Soulstücke für den Chor komponiert, die in die Beine gehen – und auch Mock-O’Hara freudig wippen lassen: „Sister Act“ ist nämlich eine Eigenproduktion der SE, die sonst üblichen 15 Prozent Lizenzgebühren vom Einspielerlös kann sich der Musicalkonzern hier sparen. Was sich trotz Entwicklungskosten für das Stück von fünf bis sechs Millionen Euro bei einem Erfolg der Produktion mittelfristig auszahlen und damit die Gesamtkosten senken könnte. Ein Geschäftsmodell, das künftig ausgebaut werden soll: „Mit ‚Sister Act‘ haben wir nun die erste internationale Produktion als Eigenproduktion“, begeistert sich Mock-O’Hara für das Musical, das nach London und Hamburg im Frühjahr auch am Broadway herauskommen wird. „Das ist die nächste Liga: Titel selbst zu produzieren, die in allen Sprachräumen spielen können. Das ist eine große Chance – und gleichzeitig ist man dadurch in der glücklichen Lage, nicht immer nur Lizenzen zu bezahlen, sondern auch mal für Lizenzen Rechnungen zu schreiben.“ Denn die Ticketumsätze am deutschen Musicalmarkt stagnieren seit einigen Jahren bestenfalls noch – laut einer GfK-Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft – bei steigenden Produktionskosten; auf den beiden größten Musicalmärkten der Welt, am New Yorker Broadway und im Londoner West End, waren die Besucherzahlen 2009 rückläufig. Und auch hierzulande spürt die SE die Schwierigkeiten: In ihrem Essener Colosseum Theater fiel nach fast zehn Jahren und einem Verlust von geschätzten 30 Millionen Euro im Juli der letzte Vorhang, die erhoffte neue Einnahmequelle aus dem Verkauf von Theaternamensrechten an einen Sponsor (wie in Hamburg) ist ein einmaliges Geschäft geblieben – und die für „Sister Act“ im Vorverkauf abgesetzten 70.000 Tickets lagen deutlich unter den 200.000 oder gar 300.000 Karten, die vor Jahren noch in derselben Stadt für Produktionen wie „Ich war noch niemals in New York“ oder „ Dirty Dancing“ verkauft worden waren. ExpansionspläneDennoch will die SE über ihre neun Spielstätten in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Oberhausen hinaus weitere Musicaltheater eröffnen – mittlerweile allerdings nur noch in Hamburg und München. Während es im Süden indes mangels einer geeigneten Immobilie laut Mock-O’Hara nach wie vor „keine konkreten Pläne“ für einen Standort gibt, soll an der Elbe schon bald mit dem Bau einer vierten Spielstätte für etwa 2.000 Besucher begonnen werden – und zwar im Hafengebiet unmittelbar neben dem Zelt, wo seit neun Jahren die Erfolgsproduktion (fast 7,5 Millionen Besucher) „König der Löwen“ läuft. „Der Bekanntheitsgrad des Standortes ist ein ganz großer Trumpf“, sagt der deutsche SE-Geschäftsführer. „Wir sind fest überzeugt, dass ein viertes Theater in Hamburg Sinn macht und sich für uns auch rechnet. Hamburg ist eine große Touristenstadt geworden mit überregionaler Anziehungskraft – da sehen wir noch viel Potenzial.“
Ein Potenzial am „deutschen Broadway“, das offenbar auch andere Veranstalter wie BB Promotion sehen oder der ehemalige SE-Chef Maik Klokow, der inzwischen mit der in Düsseldorf ansässigen „Mehr! Entertainment“ selbst drei Musicaltheater betreibt und ein viertes in der Hansestadt eröffnen will. Geschäftssinn – oder doch eher ein aufgesetzter Optimismus? Schließlich ist das Musicalgeschäft „ein sehr, sehr knappes Geschäft“, wie auch Mock-O’Hara zugibt. „Wir wollen unsere Investitionen zurückverdienen und unsere neuen Shows aus Eigenmitteln finanzieren – Ergebnisse abzuliefern, wie sie im Private-Equity-Bereich üblich sind, das ist in diesem Sektor nicht darstellbar.“ Selbst SE-Gründer und Eigentümer Joop van den Ende habe bis heute „nicht einen Cent aus der Firma gezogen – insofern hat er auf seine Investitionen überhaupt keine Rendite bekommen“. Schwieriger Break EvenUnd das dürfte sich für den niederländischen Milliardär so schnell auch nicht ändern: Schlägt doch der geplante Theaterneubau mit 40 bis 50 Millionen Euro zu Buche, für die vorgesehene Produktion (angeblich ein Beatles-Musical) sind weitere 10 bis 20 Millionen Euro fällig – da ist der Break Even frühestens nach drei Jahren erreicht. Solch eine lange Laufzeit aber schafften zuletzt immer weniger Groß-Musicals – und auch bei „Sister Act“ kommen dem Betrachter während der ersten Stunde doch erhebliche Zweifel angesichts der trotz schwungvoller Musik mit wenig Esprit und platten Witzen dahindümpelnden Handlung. Ein Segen, dass hier zumindest keine Lizenzgebühren fällig werden. Christoph Forsthoff
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