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Kulturpolitik

Musiktheater Herzenssache

In Linz wird ein neues Theatergebäude gebaut · Von Silvia Nagl

Am 13. April 2013 wird in Linz – einer österreichischen Stadt mit 180.000 Einwohnern mitten zwischen den in der Musikwelt bes-tens bekannten Musik-Hochburgen Salzburg und Wien – ein neues, imposantes Musiktheater eröffnet. Ein Bau, der 150 Millionen Euro kostet. Wie das? In Zeiten paneuropäischer Schuldenbremsen und Sparpakete? In Zeiten gekürzter bis eingefrorener Kulturbudgets? Es funktioniert tatsächlich. Aber auch hier gilt: Gut Ding braucht manchmal wirklich viel Weile.

Das Gebäude des Landestheaters in Linz aus dem Jahre 1802– ein Vierspartenbetrieb mit Oper/Musiktheater, Ballett, Schauspiel und Theater für junges Publikum – ist in die Jahre gekommen. Vor allem im so genannten Großen Haus, dem Haus für Oper/Musiktheater, sind Sitz- und Sichtkomfort für das Publikum und der Orchestergraben für die Musizierenden des Bruckner Orchesters, das auch offizielles Landestheater-Orchester ist, schon hart an oder über der Grenze der Zumutbar-keit. Verwunderlich, dass noch kein Geiger dem Sitznachbarn mit dem Bogen ein Auge ausgestochen hat...

Große Unterstützung

Blick aus der Luft auf die Baustelle, Aufnahme vom 30. März 2010. Foto: Norbert Artner

Blick aus der Luft auf die Baustelle, Aufnahme vom 30. März 2010. Foto: Norbert Artner

Schon lange war diskutiert worden, bevor im Jahre 1981 in der Regierung des Bundeslandes Oberösterreich ein Grundsatzbeschluss für den Bau eines neuen Musiktheaters gefasst wurde. Ein paar Jahre später beginnt die Standortsuche. Es wird gesucht, gefunden, geprüft, verworfen, neu gesucht und so weiter. Eine zermürbende und nervenaufreibende Zeit für Musiktheater-Freunde und auch für diesem Vorhaben gewogene Journalisten. 1984 wird von Musiktheater-Enthusiasten der Verein „Freunde des Linzer Musiktheaters“ gegründet, der den zuständigen Politikern beständig lästig fällt. Und es gibt von Beginn an auch von der hiesigen Medienlandschaft Unterstützung für die vielen, auch kleinen Schritte in eine bessere Musiktheater-Zukunft.

1994 dann das große Aufatmen, ein paar Jahre später eine herbe Enttäuschung: Der Baugenehmigung eines mutigen „Theater im Berg“-Projektes folgt im Jahre 2000 eine von der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs), die in ihrer Ablehnungshaltung gegenüber diesem Bau all die Jahre über konsequent geblieben ist, initiierte Volksbefragung. Die Hälfte der 984.000 Wahlberechtigten macht mit und 60 Prozent davon haben die Frage: „Soll in Linz ein neues Musiktheater gebaut werden?“, mit Nein beantwortet. Das neue Musiktheater ist Geschichte. Zumindest an diesem Standort.

Was lange währt

Doch es wird weiterdiskutiert. 2004 schließlich entscheidet sich eine Standortfindungskommission für das Musiktheater auf der Linzer Blumau, einem Stadtteil, der eher abseits des Stadtzentrums liegt, jedoch in unmittelbarer Bahnhofsnähe; das wiederum bringt gute Verkehrsanschlussmöglichkeiten mit sich. 2006 gewinnt der Engländer Terry Pawson mit seinem „Theater am Park“ den Architektenwettbewerb. Am 15. April 2009 erfolgt der Spatenstich.

Wandverkleidung im neuen Linzer Theater, Stand: Dezember 2011. Foto: Sigrid Rauchdobler

Wandverkleidung im neuen Linzer Theater, Stand: Dezember 2011. Foto: Sigrid Rauchdobler

Zurück in die Gegenwart: Seit einiger Zeit nun werden Baustellenführungen angeboten, die von der Bevölkerung eifrig angenommen werden – und nicht nur von potenziellen zukünftigen Besuchern. Die Neugier auf diesen Jahrhundertbau ist groß. Errichtet wird das Haus von der Musiktheater Linz GmbH (MTG), die eine Tochter der Oberösterreichischen Theater und Orchester GmbH ist, die wiederum der Landesholding des Landes Oberösterreich gehört.

Zu den Zahlen: Das imposante Gebäude ist 26 Meter hoch (der Bühnenturm an seiner Spitze misst 37 Meter), 162 Meter lang und am breitesten Punkt 82 Meter breit. Die 60 Meter lange und 10 Meter hohe Glasfront öffnet sich zu einer städtischen grünen Lunge, dem so genannten Volksgarten. Es wird im Saal 970 Sitzplätze geben. Aber auch eine kleinere Studiobühne mit 250 Sitzplätzen und das Foyer sollen für künstlerische Projekte genutzt werden.

Und übrigens: Das alte Theaterhaus wird nicht verschwinden. Es soll als alleiniges Schauspielhaus genutzt werden: mit dem Großen Haus (rund 650 Sitzplätze) und den Kammerspielen (367 Sitzplätze), das in Zukunft das Theater für junges Publikum beherbergen wird.

Immer wieder hört man in Linz und vor allem von Kollegen aus dem Nachbarland Anspielungen auf die Probleme beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg, auf die Einsparungen generell im Theaterbereich, darauf, dass sich kaum mehr ein Theaterhaus ein eigenes Ensemble leistet. Verbunden sind diese Hinweise regelmäßig mit der Frage: Wie klappt das bei euch in Österreich?

Theaternarrisches Publikum

Das liegt sicher daran, dass hier Fachleute am Werk sind, die dafür Verantwortung tragen, ein Projekt nicht nur abzuwickeln, sondern es zur Herzensangelegenheit gemacht haben – und natürlich daran, dass hier wirklich auf jeden Euro geschaut wird. Eine Preissteigerung wie bei der Elbphilharmonie würde hier wohl weder die im Bundesland mit den Grünen gemeinsam regierende Volkspartei noch der Theater-Intendant „überleben“... Und natürlich ist ein solcher Neubau auch deshalb möglich, weil es hier ein „theaternarrisches“ Publikum gibt.

Selbstverständlich wird auch hier leidenschaftlich gestritten. Beispielsweise über das geplante Eröffnungsprojekt im neuen Musiktheater. Manche möchten, dass ein vor Ort ansässiger Komponist ein Auftragswerk schreiben sollte, andere wiederum würden am liebsten auf Nummer sicher gehen und einen Komponisten bevorzugen, der weltweit bekannt, aber schon längst tot ist. Fakt ist: Eröffnet wird mit den „Spuren der Verirrten“ nach dem gleichnamigen Buch des hierzulande auch umstrittenen Autors Peter Handke mit der Musik des derzeit wohl erfolgreichsten zeitgenössischen Komponisten Amerikas, Philip Glass. Seit Jahren ist dieser dem Linzer Theater eng verbunden durch seine Freundschaft zu Dennis Russel Davies, Chef des Bruckner Orchesters und zugleich Landestheater-Opernchef.

„Als ich das erste Mal nach Österreich kam, glaubte ich, dass die amerikanischen Orches-ter die besten seien, um meine Musik zu spielen. Aber dann habe ich das Bruckner Orches-ter gehört und dachte mir: Oh, das klingt jetzt aber anders. Sie bringen die Sensibilität einer anderen Kultur in die Musik, die dadurch eine andere Tiefe erhält. Das Bruckner Orchester hat ein erstaunliches Niveau und eine unglaubliche Konzentrationsfähigkeit. In den Staaten habe ich kein Orchester, mit dem ich so regelmäßig arbeite“, streut Glass dem Bruckner Orchester Rosen.

Im Musiktheater soll auch Platz sein für die Sparten Ballett und Musical; für letztere wurde ein eigener Musical-Chef, der Deutsche Matthias Davids, engagiert. Er wird seinen Job im September antreten und castet derzeit ein siebenköpfiges Ensemble. „Ich möchte, dass die Leute kommen, weil sie wissen, sie bekommen sehr gute Qualität geboten“. Geplant sind vier bis fünf Musicals pro Jahr.

Spannende Zeiten kommen auf Neugierige, Interessierte und Freunde des Musiktheaters zu. In Linz freut man sich natürlich über viele Besucher – vor allem auch aus dem benachbarten bayerischen Raum.

Silvia Nagl

 

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