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Aktuelle Ausgabe

Editorial von Tobias Könemann
Many Happy Returns?

Kulturpolitik

Brennpunkt
Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Auf ein Wort mit...
... dem Komponisten Moritz Eggert

Schwerpunkt

Leidenschaft für das Theater muss sein
Der Studiengang Maskenbild an der Bayerischen Theaterakademie August Everding

Kostüme, mit denen man spielen kann
Die Arbeit der freien Kostümbildnerin Cornelia Schmidt

Im Herzen des Theaters
Ein Besuch in der Maske des Regensburger Theaters

Geschichten von der Stange
Der Fundus der Komischen Oper Berlin

Typen mit hässlichen Gesichtern
„M“ an der Komischen Oper Berlin: Aufwändige Maskenproduktion

Vom Tütü zur nackten Haut
Das Ballettkostüm im Wandel der Zeit

„… dass ich den Mohren hasse!“
Zum „Blackfacing“ auf den Bühnen

Berichte

Clown im Turbo-Kapitalismus
Tobias Kratzers »Tannhäuser« in Bayreuth

Von Rittern und Narren
Die Bregenzer Festspiele 2019

Stimmen- und Bilderfluten
Eindrücke von den Salzburger Festspielen

Generation Y auf der Suche nach sich selbst
Die Junge Oper Schloss Weikersheim mit »La Bohème«

Auf Richard Wagners Spuren durch Europa
Kiesel/Mildner/Schuth: Wanderer heißt mich die Welt – Auf Richard Wagners Spuren durch Europa

Eine Wagner-Blütenlese
Drei aktuelle Bücher

Maximilians Lieder
Nicole Schwindt: Maximilians Lieder. Weltliche Musik in deutschen Landen um 1500

L’Étoile
Emmanuel Chabrier: L‘Étoile

VdO-Nachrichten

Studie zur Sängergesundheit – Ortsdelegiertenkonferenz zum 60. Geburtstag der VdO! – Erfolgreicher Manteltarifabschluss zum NV Bühne 2019 – Gemeinsame Presseerklärung der Gewerkschaften DOV, VdO, GDBA und ver.di

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Geschichten von der Stange

Der Fundus der Komischen Oper Berlin

Dann und wann kann man auf der Straße Unter den Linden, Höhe Komische Oper, folgende Plakatankündigung lesen: „Kostümverkauf! Der Fundus muss geräumt werden, wir brauchen Platz für die neuen Produktionen…“. Das Wort „Fundus“ erinnert an den Film „Die unendliche Geschichte“: Irgendwo in den Tiefen seines Antiquariats mit den bis an die Decke reichenden Regalen sitzt Herr Koreander, in einem alten Folianten blätternd. Bücher, wohin man schaut. Unmöglich, hier ein bestimmtes zu finden. Aber fragte man Koreander danach – er würde ohne aufzustehen, kurz über den Rand seiner Nickelbrille blickend, mit dem Finger auf eines der hinteren Regale weisen und sagen: „Oben rechts, zweite Reihe. Aber Vorsicht, das ist eine ganz besondere Ausgabe…“.

Ist so ein Theaterfundus nicht ganz ähnlich? Wie groß ist der eigentlich, wie viele Kostüme passen da hinein? Und überhaupt, die Kostüme: Wer hat sie gemacht? Wer zieht sie an und wie oft, ehe sie abgelegt werden – im Fundus?

Katrin Kath. Foto: Thomas Otto

Katrin Kath. Foto: Thomas Otto

Im Vergleich zu früheren, historisierenden Inszenierungen mit ausladenden Bühnenbildern wird heute oft auf vergleichsweise kargen Brettern gespielt. „... und da braucht man mehr Kostüm“, sagt Katrin Kath, die Leiterin des Kostümwesens an der Komischen Oper Berlin. Die studierte Kostüm- und Modedesignerin kam 2002 als Assistentin der Kostümdirektion an das Haus und übernahm 2008 die Leitung der Abteilung. An den Wänden ihres Büros hängen Figurinen von ihr, frühere Arbeiten. Hinter ihr liegen die aufwändigen Vorbereitungen der aktuellen Produktion „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Die Kostüme dazu stammen von ihr. „Speziell an unserem Haus wird bei den Kostümen ein großer Aufwand betrieben. Und wenn man dann von einem Kostüm gleich mehrere braucht, weil die Rolle von unterschiedlichen Sängern besetzt und nachbesetzt wird, ist es schon eine gewaltige Herausforderung, das zu produzieren.“ Mehr noch: Diese große Menge an Kostümen muss ja auch gelagert werden, wenn man sie nicht braucht.

Katrin Kath ist gewissermaßen auch die Herrin über den Fundus der Komischen Oper, den es in zweifacher Ausfertigung gibt: der außerhalb gelegene mit einer Fläche von 1.100 Quadratmetern (gerade wurde noch ein bisschen mehr angemietet) wird ergänzt durch den so genannten „spie-lenden“ Fundus am Haus. Dort hängt alles das, was in den aktuellen Produktionen gerade auf der Bühne zu sehen ist. Und gibt es so jemanden wie Karl Konrad Koreander, der nicht nur auf Anhieb alles über die Kostüme weiß, sondern auch, wo welche Stücke zu finden sind? „So einen hätten wir gern“, sagt Katrin Kath. Es gab früher mal einen Verwalter dafür, aber dieser Posten ist irgendwann wegrationalisiert worden. Damit man trotzdem alles findet, werden die Kostüme nach einem bestimmten System sortiert, zunächst nach Kategorien wie „modern“ und „historisch“, dann nach bestimmten Epochen, dann nach Größen und Farben, Damen-, Herren- oder Kinderkostümen. Normale Alltagskleidung wird getrennt aufbewahrt. Wenn man also etwas ganz Bestimmtes sucht, Hosen aus dem Biedermeier zum Beispiel, findet man es. Eine elektronische Datenbank, ähnlich einem elektronischen Bibliothekskatalog, steht noch aus. „Sie würde uns viel Bürokratie ersparen“, sagt Katrin Kath. „Bei uns ist es so, dass wir eine Stückliste schreiben, wenn der Kostümbildner mit seinen Figurinen kommt. Die enthält Angaben zum Material, zum Charakter, zur Menge.“ Eine solche Stückliste kann schon mal richtig lang werden, weil Angaben zu jeder Figurine gemacht werden: Diese hat eine Jacke, eine Hose, Schuhe, Strümpfe. Jener braucht noch ein T-Shirt darunter, weil er viel schwitzt. Außerdem trägt er einen Hut. Das alles wird aufgeschrieben, zusammen mit den Kostümnummern und den Namen der Sänger. Die Stückliste zum Bernstein-Musical „Candide“ brachte es auf 800 Seiten! Nach jeder Premiere gibt es einen Fototermin, bei dem alle Darsteller in ihren Kostümen und den Masken fotografiert werden. Auf diese Weise entsteht die so genannte „Kostümbibel“, die dann bei Koproduktionen oder einem Verleih zwischen den einzelnen Häusern kursiert. Darin findet man auch Angaben darüber, welche Stoffe benutzt wurden, wo sie bestellt wurden – einfach, damit sie im Bedarfsfall nachbestellt werden können, weil manchmal an den verschieden Häusern auch andere Sänger mit den gleichen Kostümen agieren. Die Entscheidung, wie lange die Kostüme im Fundus bleiben, trifft nicht die Kostümabteilung, sondern die Intendanz. Wenn die sagt, dass ein Stück irgendwann wieder einmal aufgenommen werden soll, bleiben die Kostüme wie auch die Requisiten und Bühnenbilder erhalten, meist noch zwei bis drei Jahre. Manchmal werden auch alte Produktionen wieder aufgenommen. Wenn dann die alten Kostüme wieder hervorgeholt werden, kommt es nicht selten vor, dass Katrin Kath feststellt: Manches Stück lässt sich nicht mehr verwenden und muss neu gemacht werden. Meist nämlich ist die Besetzung dann eine andere und oft haben die Solisten eine andere Statur als ihre Vorgänger.

„Candide“ an der Komischen Oper mit Allan Clayton als Candide und dem Tanzensemble und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin. Foto: Monika Rittershaus

„Candide“ an der Komischen Oper mit Allan Clayton als Candide und dem Tanzensemble und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin. Foto: Monika Rittershaus

Gibt es im Fundus so was wie Mottenpulver? „Natürlich“, sagt Katrin Kath. „So was muss man immer mit bedenken. Auch dass der Fundus regelmäßig gut durchlüftet wird, damit die Kostüme darin nicht stocken.“ Die werden oft auch zusätzlich mit weiteren Materialien bearbeitet, mit Farben zum Beispiel, oder mit Klebemitteln oder mit Schichten, die den Stoff nass aussehen lassen. Diese Mittel sind nicht ewig haltbar. Sie fangen irgendwann an zu kleben oder sich aufzulösen, die Weichmacher in den Gummis etwa. „Wir haben manchmal Kostüme, bei denen uns der Tüll in der Hand zerbröselt.“

Welches von all den Kostümen im Fundus, die Katrin Kath bisher geschaffen hat, ist wohl ihr Lieblingskostüm, das sie selbst gern mal anziehen würde? „Keines“, sagt sie und lacht. „Mich selbst gut anziehen? Ja!“ Aber seit sie sich entschied, Kostümbildnerin zu werden, war das Thema ‚Verkleiden‘ für sie erledigt. Nicht mal zum Fasching, obwohl sie das als Kind genossen habe. „Ich liebe es, andere mit dem Kostüm zu verändern. Ich sehe das Kostüm immer im Zusammenhang mit der Rolle: Wenn beides perfekt zueinander passt, wenn es im Stück auf der Bühne genau so rüberkommt, wie ich es mir vorgestellt habe, dann hat man immer mal wieder so ein Glücksgefühl!“

Dazwischen jedoch muss sie an tausend Sachen gleichzeitig denken, und im Kopf ist Katrin Kath schon bei den Produktionen, die erst in drei Jahren anstehen, – und das unter erschwerten Bedingungen. Dann nämlich steht der Umbau der Komischen Oper an. Sie soll von 2022 bis 2027 für 225 Millionen Euro von Grund auf renoviert werden. Während dieser Zeit wird das Ensemble in das Schiller Theater ziehen, aber auch an verschiedenen Orten in der Stadt spielen. Für Katrin Kath bedeutet das zum Beispiel auch, dass sie die Logistik dafür extra planen muss – es wird einen Fahrer brauchen, der nur die Kostüme hin und her fährt…

Nicht nur, aber auch deswegen wird es auch in diesem Jahr, am Samstag, dem 16. November, wieder heißen: „Die Kostümabteilung räumt den Fundus aus … Kleider, Röcke, Hosen, Jacken, Hüte, Gürtel, Handschuhe und Kinderkostüme!“

Thomas Otto

 

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