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Hahn am Bungee-Seil

David-Pountney-Premiere in Bregenz · Von Stefan Rimek

Ein Zar Dodon im Straßenanzug vor den Abgeordneten der Duma, seine beiden Söhne in Zuhälterklamotten der Siebziger, die sich nur ungern von ihren Strichmädchen beziehungsweise Straßenkreuzern trennen, um die Gangway der familieneigenen Fluglinie „Dodoflot“ herunterzusteigen und ihrem Vater schlechte Ratschläge zu geben oder um in den Krieg – in welchen auch immer – zu ziehen. Ein „Goldener Hahn“, der am Bungee-Seil herunterzischt, um Dodon am Ende den tödlichen Schlag zu versetzen, jede Menge weibliche Schönheiten mit Playboy-Häschen-Schwänzchen und ein am Ende des ersten Akts auf einem Militär-Roller dahinbrausender Zar, der in seinem Glitzerkostüm mit Schlag-Hosen eher an Elvis Presleys Auszug aus Las Vegas erinnert, als an seine eigene „Mobilmachung“.

   

„Goldener Hahn“ in Bregenz. Foto: Festspiele

 

Dies sind nur einige Eindrücke aus David Pountneys Neuinszenierung der Rimski-Korsakow-Oper „Der goldene Hahn“ im Rahmen der diesjährigen 55. Bregenzer Fest- spiele. Überladener Kitsch? Keineswegs! Die Inszenierung ist bunt, humorvoll und schlüssig und vor allem stellt sie – und das ist das Entscheidende – den Bezug zur aktuellen gesellschaftlichen Situation in Russland her und zeigt damit deutlich die Zeitlosigkeit des Werks auf.

In der Inszenierung Pountneys oszillieren Begriffe wie „Krieg“ oder „Schlachtfeld“ im orbitalen Raum zwischen mafiaartig-kapitalistischen Auseinandersetzungen des heutigen Russlands und den ursprünglichen Bedeutungen des Librettos, wobei letztere deutlich zurücktreten. So sterben die beiden in den Krieg gezogenen Söhne nicht durch traditionelle Feuerwaffen, sondern in ihren zu einem Blechknäuel zusammengeschobenen Wracks ihrer Mercedes-Limousinen, was der imposante Aufbau zu Beginn des zweiten Aktes fesselnd deutlich macht.

Ein weiterer kreativ hintergründiger Einfall der in deutsch gesungenen Inszenierung besteht auch darin, die orientalische Königin von Schemacha das Gros ihrer Partie auf russisch intonieren zu lassen. So entsteht eine verkehrte und doch richtige Welt. Denn auch die orientalisch geprägten früheren und heute souveränen zentralasiatischen Sowjetrepubliken wie Turkmenistan oder Usbekistan und auch Republiken der heutigen Russischen Föderation wie Tuwa oder Tschetschenien besinnen sich wieder auf ihre ursprünglichen Turk-Sprachen und sind dadurch für Russen nicht mehr zu verstehen. Und ebenso wie durch die Königin von Schemacha stellt ihr verführerisch islamisch-orientalischer Einfluss eine ernste Gefahr für die Herrscher in Moskau dar.

Märchenhafte szenische Details wie das Hummer-Ballett der Sklavinnen am Ende des zweiten Akts oder der – auch was die Hautfarbe anbetrifft – völlig in blau agierende Astrologe, der im Prolog im fahlblauen Licht über der Bühne schwebt, komplettieren die bunte Vielschichtigkeit der Inszenierung.

Ein großes Kompliment gilt aber auch den Bühnenakteuren an diesem Premiereabend im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus. Allen voran beeindruckten Kurt Rydl als Dodon, Eberhard F. Lorenz als Astrologe und Iride Martinez in der Rolle der Königin von Schemacha durch ihre kraftvollen Stimmen und eine verständliche Textartikulation. Ihnen kaum nach stand Walter Fink als General Polkan. Etwas an Durchschlagskraft ließen es die Söhne Dodons vermissen, verkörpert durch Robert Wörle und Adrian Clarke. Cornelia Wulkopf als Amelfa und Maya Boog als Stimme des Hahns sowie die groteske Clownerie des „Hahns“ Karl Baumann konnten hingegen fesseln. Der Kammerchor Moskau und die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Vladimir Fedoseyev agierten bis in sämtliche dynamischen Verästelungen mit gewohnter Souveränität. Der Schlussapplaus war zurecht intensiv, begeistert und lang anhaltend.

Stefan Rimek

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