Dies sind nur einige Eindrücke aus David Pountneys Neuinszenierung der Rimski-Korsakow-Oper Der goldene Hahn im Rahmen der diesjährigen 55. Bregenzer Fest- spiele. Überladener Kitsch? Keineswegs! Die Inszenierung ist bunt, humorvoll und schlüssig und vor allem stellt sie und das ist das Entscheidende den Bezug zur aktuellen gesellschaftlichen Situation in Russland her und zeigt damit deutlich die Zeitlosigkeit des Werks auf. In der Inszenierung Pountneys oszillieren Begriffe wie Krieg oder Schlachtfeld im orbitalen Raum zwischen mafiaartig-kapitalistischen Auseinandersetzungen des heutigen Russlands und den ursprünglichen Bedeutungen des Librettos, wobei letztere deutlich zurücktreten. So sterben die beiden in den Krieg gezogenen Söhne nicht durch traditionelle Feuerwaffen, sondern in ihren zu einem Blechknäuel zusammengeschobenen Wracks ihrer Mercedes-Limousinen, was der imposante Aufbau zu Beginn des zweiten Aktes fesselnd deutlich macht. Ein weiterer kreativ hintergründiger Einfall der in deutsch gesungenen Inszenierung besteht auch darin, die orientalische Königin von Schemacha das Gros ihrer Partie auf russisch intonieren zu lassen. So entsteht eine verkehrte und doch richtige Welt. Denn auch die orientalisch geprägten früheren und heute souveränen zentralasiatischen Sowjetrepubliken wie Turkmenistan oder Usbekistan und auch Republiken der heutigen Russischen Föderation wie Tuwa oder Tschetschenien besinnen sich wieder auf ihre ursprünglichen Turk-Sprachen und sind dadurch für Russen nicht mehr zu verstehen. Und ebenso wie durch die Königin von Schemacha stellt ihr verführerisch islamisch-orientalischer Einfluss eine ernste Gefahr für die Herrscher in Moskau dar. Märchenhafte szenische Details wie das Hummer-Ballett der Sklavinnen am Ende des zweiten Akts oder der auch was die Hautfarbe anbetrifft völlig in blau agierende Astrologe, der im Prolog im fahlblauen Licht über der Bühne schwebt, komplettieren die bunte Vielschichtigkeit der Inszenierung. Ein großes Kompliment gilt aber auch den Bühnenakteuren
an diesem Premiereabend im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus.
Allen voran beeindruckten Kurt Rydl als Dodon, Eberhard F. Lorenz
als Astrologe und Iride Martinez in der Rolle der Königin von
Schemacha durch ihre kraftvollen Stimmen und eine verständliche
Textartikulation. Ihnen kaum nach stand Walter Fink als General
Polkan. Etwas an Durchschlagskraft ließen es die Söhne
Dodons vermissen, verkörpert durch Robert Wörle und Adrian
Clarke. Cornelia Wulkopf als Amelfa und Maya Boog als Stimme des
Hahns sowie die groteske Clownerie des Hahns Karl Baumann
konnten hingegen fesseln. Der Kammerchor Moskau und die Wiener Symphoniker
unter der Leitung von Vladimir Fedoseyev agierten bis in sämtliche
dynamischen Verästelungen mit gewohnter Souveränität.
Der Schlussapplaus war zurecht intensiv, begeistert und lang anhaltend.
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