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Kulturpolitik

Trauriges Ende in Würzburg

Ballettchef Schröder geht
Von Renate Freyeisen

Wer am Mainfranken Theater Würzburg eine Karte für das Würzburger Ballett haben will, wird es schwer haben: Seit Wochen ist „Jim Morrison“ zur Musik der „Doors“ ausverkauft; auch in „The Wall“ und „Schließe deine Li(e)der“ rennt das Publikum, und „Jeremias“ zur Kirchenoper von Petr Eben war letzte Saison trotz schlechter Sichtverhältnisse fast immer voll. Dieser unglaubliche Erfolg einer Ballett-Truppe in der „Provinz“ hat einen Namen: Mario Schröder, aus der Leipziger Palucca-Schule hervorgegangen, der als Ballettdirektor mit dem damaligen Intendanten Schaller nach Würzburg kam und den Tanz hier revolutionierte. Schnelligkeit, athletische Akrobatik, kühne Kombinationen, weite Raum-Gliederungen und suggestive Lichtregie – damit zeigte er intensive menschliche Beziehungen, innere Vorgänge von Leuten, die sich nicht mit ihren Grenzen abfinden wollen. Schröder lässt sich auf jeden seiner Tänzer genau ein, bevor er in den Ballettsaal geht: „Jede Bewegung muss für sich selbst begründet sein!“ Mit seinen intensiven Schöpfungen begeisterte er Ballettfans aus nah und fern, Jung und Alt, ist damit Tagesgespräch in der Stadt.

   

„Jeremias“: Ballett von Mario Schröder.
Foto: Schulte-Bunert

 

Doch all dies hat nun ein Ende. Schröder geht, zum 30.6.2001. Ein Verlust ohnegleichen. Und das, obwohl Schröder in Würzburg glücklich war: „Die Ensemblearbeit war toll, das Publikum wunderbar!“ Wie kommt es dann, gerade in der Zeit, in der es fürs Würzburger Theater ums Überleben geht, zu einem solch bedauerlichen, ja gefährlichen Einschnitt? Der Grund ist, kurz gesagt, der unlösbare Konflikt zwischen künstlerischem Konzept und finanziellen Sparzwängen, vertreten durch ein Dreiergremium an der Spitze des Theaters, eine Konstruktion, die sich der Stadtrat mit dem Oberbürgermeister ausgedacht hat, fern allen Sachverstands. Schröder wäre gern geblieben. Aber nachdem Schaller im Handstreich als Intendant abgesetzt war, widerfuhr Schröder vieles, was er heute noch nicht begreifen kann; die Differenzen häuften sich mit der neuen dreiköpfigen Leitung. So kündigte er Ende September 2000. Denn Dinge, die ihm bisher fraglos gewährt wurden, weil sie einfach Standard eines modernen Balletts sind, wurden ihm nicht mehr genehmigt. Das betrifft etwa einen weiteren „Verfolger“ in der Beleuchtung oder einen zusätzlichen Videobeamer; Schröder erhielt ihn schließlich durch ein Not-Sponsoring. Alles dies hätte, so die Leitung, zu hohe Kosten verursacht. Schröder meint, bei gutem Willen hätte man da schon einen Weg finden können. Der eigentliche Grund für solche Verweigerungen liegt wohl auch in Begehrlichkeiten anderer Abteilungen des Theaters gegenüber dem, was Schröder von Schaller zugestanden worden war: Schröder durfte zum Beispiel die Probebühne statt des zu engen Ballettsaals nutzen, der viele Verletzungen verursachte.

Auch dass das Mozart-Requiem nun nicht getanzt werden kann, ist betrüblich. Schröder hatte nach acht Jahren Vorarbeit zwei Jahre konkret an seinem „Lebens-Projekt“ mit einer Konzeption für zwölf Tänzer gearbeitet. Nun sollte er es mit neun Tänzern realisieren, da ihm zum Zeitpunkt der Aufführung nur noch diese Zahl an Ensemble-Mitgliedern zur Verfügung stand. Vom künstlerischen Standpunkt ein unmögliches Unterfangen. Im Übrigen wurde Schröder vorgeworfen, die Verletzungsrate sei durch seinen Tanzstil sehr hoch. Mit dieser Begründung angeblich drohender Ausfälle wurde ihm auch ein Gastspiel in Gera verweigert. Gastspiele aber seien, so Schröder, für die Truppe sehr motivierend und dem Renommee des Hauses förderlich. Wenn er von seinen Tänzern sehr viel verlange, sei das nur im Interesse der künstlerischen Leistung.

Solches geht dem Würzburger Publikum nun verloren. Die Theaterleitung hoffte bis Ende 2000 noch, Schröder werde bleiben. Aber dieser sagt, wenn Entscheidungen über seine Produktionen nach außerkünstlerischen Richtlinien getroffen würden, dann könne er nicht weiter in Würzburg arbeiten. In Leipzig habe er immer freie Hand gehabt für seine Choreografien; in Würzburg spüre er kein Vertrauen in seine künstlerischen Vorhaben. Dennoch sagt er: „Ich gehe ganz, ganz schweren Herzens!“

Was ihn nun in Kiel, seiner neuen Wirkungsstätte, erwartet, weiß er noch nicht. Sicher bietet ein Landestheater größere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Vielleicht gibt es dann dort das Mozart-Requiem. Die Würzburger interessiert natürlich, wie es mit „ihrem“ Ballett weitergeht. Eines steht fest: Der Nachfolger von Schröder wird es sehr schwer haben. Um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten, schlug Schröder seinen Assistenten Henry Will vor; doch dessen Vorschläge nahm man nicht an. Aber Klaus Heuberger, Finanzchef des Theaters, betont: „Wir wollen auf jeden Fall die Sparte Ballett halten!“ Ihm schwebt eine Truppe von acht bis zehn Tänzern und einer eigenen Choreografie im ersten Jahr als Übergangslösung vor. Das ist ein Sparmodell, nicht aber ein künstlerisches Konzept. Wo aber Qualität nicht gewünscht wird, droht Gefahr fürs Theater, und zwar in allen Sparten.

 

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