Wenn Zehelein vom neuen Stuttgarter Ring spricht (s. O&T, Ausg. 3/2000, S. 7f.), entfährt ihm der Seufzer, auch er sei nicht ungeschoren geblieben, nachdem er nunmehr zum zweiten Male das Werk Wagners als Dramaturg begleitet habe (Wie Sie vielleicht wissen, habe ich vor über zehn Jahren eine Arbeit am Ring des Nibelungen mit Michael Gielen und Ruth Berghaus dramaturgisch begleitet.), um dann mit Siegerlächeln die Presse zu zitieren: Habe Stuttgart zu Wieland Wagners Zeiten als Winter-Bayreuth gegolten, so sprächen einige heute von Bayreuth als Sommer-Stuttgart. Das Siegerlächeln hat seinen guten Grund, gilt Stuttgarts Staatsoper, die Zehelein seit 1991 leitet, doch nicht nur bei der Presse und in einschlägigen Umfragen unter Musiktheater- Rezensenten, sondern erlebbar auch beim Publikum als eines der interessantesten, wenn nicht als führendes Opernhaus Deutschlands. Zum dritten Male hintereinander (in der Opernwelt-Umfrage) das Opernhaus des Jahres, mit Peter Konwitschny (Götterdämmerung) als dem Regisseur des Jahres, mit dem Opernchor des Jahres, der Götterdämmerungs-Brünnhilde Luana DeVol als Sängerin des Jahres, dem Orchester des Jahres unter Lothar Zagrosek. Erlebbar auch beim Publikum: Da kamen doch tatsächlich 170 erwachsene Menschen an einem Februar-Wochenende in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Hohenheim zusammen, um sich rund zehn Stunden lang mit Wagners Göttern im Ring des Nibelungen (Zur Theologie Richard Wagners und ihrer Vergegenwärtigung in der Stuttgarter Produktion 1990/2000) zu beschäftigen, so engagiert, als hinge ihr Seelenheil von der Frage ab, ob es Wagner denn nun um Religion oder um seine Kunstreligion gegangen sei. Dass Klaus Zehelein, eskortiert von seinem Dramaturgen-Stab, sich dieser Debatte stellte, obschon er wissen musste, die Theologie, insbesondere vertreten durch den Bielefelder Wagner-Exegeten Wolfgang Schild, werde der Stuttgarter Zerstückelungs-Inszenierung die Zerstörung der wagnerschen Darstellung der Menschwerdung Gottes vorwerfen und sie als Irrweg verdammen, verrät einiges vom Geheimnis des zeheleinschen Erfolges: Der Dramaturg muss im Zeichen der Intellektualisierung des emotional hilflos gewordenen Theaters dieses intellektuell so überzeugend gegen Himmel und Hölle verteidigen, dass beredte Überzeugungskraft schon wieder wie Emotionalität wirkt. Derart überzeugend wirken auch die von Juliane Votteler zusammengetragenen Konzeptionen, Interviews und Gespräche Klaus Zeheleins; bis auf die Gespräche mit der Herausgeberin und den Beitrag über Richard Wagner mit dem allerdings nur angedeuteten Einfall, Adornos Versuch über Wagner als eigentlich den Film meinende Ranküne zu interpretieren, handelt es sich indes nur um Nachdrucke. Die Gespräche aber, die das erste Viertel des Buches ausmachen, sollten den Dramaturgen der großen Musiktheater und allen Intendanten zur Pflichtlektüre gemacht werden: Da ist unter anderem viel Gescheites zum Umgang mit den im Theater arbeitenden Menschen, auch mit den Menschen in Opernchören und Orchestern gesagt. Gescheites und Beherzigenswertes. |
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