So lotst Maija das Geschehen durch mobile Zeitebenen, die doppelbödig sind, und sie selbst tritt auch doppelt auf, nämlich als stummer Körper (Maija-Double: Birgit Schmidt) und singende Seele. Im Libretto gibt es keine Anweisungen für eine doppelte Maija. Regisseur Johannes Koegel-Dorfs hatte diese Idee, um die Absichten des Komponisten zu verdeutlichen. Ein genialer Einfall, meint Kalevi Aho. Was zu bestätigen und zu ergänzen ist um ein Lob für das Sinn stiftende, aufs Notwendige eingerichtete Bühnenbild von Barbara Rückert. Durch ein klares Oben (Brücke) und mittels Drehbühne flexibles Unten (Fluss Klinik Wohnungen) sowie zugeordnete Beleuchtungen, sind nicht nur der jeweilige Ereignisraum, sondern auch die Zeitebenen zu unterscheiden. Kalevi Aho sagte im Pressegespräch nach der Premiere, er habe bei dieser Oper keine Selbstmordgedanken gehabt, auch könne er keine Menschen retten, aber meine Musik kann eine therapeutische Wirkung haben. Maijas Geschichte sei eine Metapher für das Ertrinken in der sozialen Kälte der Gesellschaft. Das Lübecker Premierenpublikum empfand genauso, applaudierte begeistert und wohl auch erleichtert, weil das schwierige Selbstmordthema nicht in abschreckende Musik eingebunden ist. Zwar scheut Kalevi Aho in seinem Polystilismus keine Dissonanzen und unangenehme Instrumentalfarben. Zwei Jungen entdecken den Selbstmord, melden ihre Vermutung der Polizei, singend. Saku, der zunächst glaubt, seine Mutter habe sich ertränkt, weil ihr Fahrrad dem ihrer Kollegin Maija gleicht, ist ein Symbol der Lebenshoffnung im Tod. Nachdem seine Mutter unversehrt wieder zu Hause war, möchte Saku ein Radargerät erfinden, um Menschen zu retten. Tobias Grünheidt hat diese Rolle mit bemerkenswerter Sicherheit gesungen, wie auch sein Freund Roto-Christian Jensch. Hoffnung ist dann noch in einer berührend schönen Renaissancemelodie, die zweimal bei Maijas Begegnungen mit dem Tod erklingt. Tod als Erlösung von moralischer Bürde oder als spiritueller Weg zurück ins Leben. Die Musik gibt keine genauen Hinweise, aber sie nimmt die Angst vor dem Tod. Für Kalevi Aho ist diese Oper mein wichtigstes Werk. Auch wenn die Prosodie der deutschen Übersetzung manchmal mit der fürs finnische Original komponierten Musik hadert, so ist doch der Appell an menschliche Wärme angekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil die sorgfältige Vorbereitung der Inszenierung von der präzisen Einstudierung der Partitur ergänzt wurde. Die Lübecker Philharmoniker waren unter der Leitung ihres GMD Roman Brogli-Sacher mit dem Gestus und den Stilwechseln dieser Musik bestens vertraut. In Lübeck waren alle Beteiligten nach der Premiere sehr erfreut über die gelungene Zusammenarbeit mit Kalevi Aho. Die Kulturachse Helsinki-Lübeck hat sich also bewährt. Es sollten weitere Projekte folgen, Bevor wir alle ertrunken sind.
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