Der „Impuls, der eine Figur singen lässt, der Weg vom Sprechen hin zum Singen“ steht für ihn im Mittelpunkt des Interesses, lässt ihn quasi die Wurzeln der Gattung aufsuchen. Folglich ist die schlechte Verständlichkeit des häufig von dichten Instrumentalklängen überdeckten Textes kaum ein Manko: Sprache dient hier eher als Klangmaterial denn als Träger von Bedeutung. Und Leutgeb entfaltet virtuos ein breites Spektrum strömender, seufzender, röchelnder Atemgeräusche, zerhackter, herausgeschleuderter, herausgewürgter Laute. Spannung vor allem im fast unhörbar Leisen, differenzierte Farbigkeit des Geräuschhaften entsteht auch, wenn der Chor – das Wiener „Vokalensemble Nova“ – das Geschehen erzählt und kommentiert. Über extreme, schneidend intensive Töne gebietet die Koloratursopranistin Petra Hoffmann, expressive Verkörperung der Frau, die vom ersten verzweifelten Ruf bis zur letzten „Arie“ immer mehr Stärke gewinnt und zum Schluss die Trennung bestimmt. Furrers Musik besticht durch die Dichte und Ausdruckskraft, zu der sich filigrane, repetitive Muster in hektischer Bewegung und plötzlichen Stauungen fügen. Reichtum und Vielfalt eines Lachenmann oder Scelsi – spürbare Einflüsse – ist ihr jedoch nicht gegeben, und so büßt sie im Laufe von zwei Stunden deutlich an Faszination ein. Vielleicht liegt das auch am reichlich abstrakten, auf eine allgemeine, von aller Kausalität losgelösten Einsamkeit rekurrierenden Sujet, das Reinhild Hoffman in ihrer Choreografie und Regie sich redlich bemüht, mit Fleisch und Blut zu erfüllen. Ihren ausgezeichneten Tänzern, aus den alten Bremer und Bochumer Truppen sowie der soeben abgewickelten Kresnik-Compagnie der Berliner Volksbühne zusammengestellt, gelingen denn auch einige eindrucksvolle Bilder. Dazu gehören Verdoppelungen der Stimm-Protagonisten durch stumme Schatten, die Erfindung eines streng die Fäden ziehenden „spiritus rector“, das äußerst präzise Nachzeichnen der musikalischen Abläufe. Wenn Mann und Frau auf den weiß leuchtenden, hochgeklappten Schrägen der raffinierten Bühnenbildmechanik, Leichenbahren gleich, einen kurzen Moment des Zueinanderfindens erleben, wenn später die Orpheus zerreißenden Mänaden mit langen Spießen versehen einen stilisierten Ritualmord vollziehen, kommt durchaus dramatische Spannung auf. Doch wenn allzu viele archaisierende Schöpfbewegungen oder schmerzerfüllte Rückbeugen dieses Panorama der existenzialistischen Wehklagen, nicht frei von Geschlechtsrollenklischees, pathetisch illustrieren, dann schleicht sich die Frage ein, ob das Ganze nicht doch einfach nur furchtbar kalter Kaffee ist.
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