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Ein harmloses Vergnügen

„Gefährliche Liebschaften“ als Musical in Pforzheim · Von Nike Luber

Manch alter Stoff ist zeitlos modern. Das egoistische Streben nach sofortiger, unverbindlicher Befriedigung, das die Hauptpersonen in den „Gefährlichen Liebschaften“ des Choderlos de Laclos umtreibt, war 1780 so aktuell wie heute. Drei Mal ist der Roman schon verfilmt worden, es gibt ein Ballett und verschiedene Vertonungen. Für das Stadttheater Pforzheim haben sich Gisle Kverndokk und Oystein Wiik der „Gefährlichen Liebschaften“ angenommen. Für die neueste Musiktheater-Fassung der „Gefährlichen Liebschaften“ dachte das Duo an ein Singspiel, also eine Verbindung aus Schauspiel und Musik. So erinnert der Beginn der Ouvertüre nicht von ungefähr an „Don Giovanni“, den anderen großen Verführer. Valmont und Merteuil sitzen in der Oper, um den Fortgang ihrer Intrige zu beobachten. Gespielt wird „Don Giovanni“, allerdings nicht im Original. Aus dem Verführungsduett „Là ci darem la mano“ wird in der Musical-Uraufführung eine böse Parodie. Don Giovanni, ein herunter gekommener Macho in Lederhose, dem die bereits schwangere Zerlina die Pantoffeln hinterher wirft.

 
 

L. Huynen (Marquise de Merteuil), J. G. Goldsworthy (Vicomte de Valmont). Foto: Sabine Hayman

 

Nicht der einzige Zeitsprung in diesem Stück. Musikalisch wechselt Kverndokk geschickt zwischen Pop-Song, Arie und anzüglichem Couplet zu Cembalo-Begleitung. Harfe, Streicher, Schlagzeug, Keyboard, das Orchester ist farbenreich besetzt. Eingängig kommen die Musiknummern daher, ob Liebesduett oder Kampfsong, nur wirklich zündend wirkt keine davon. Ohne mindestens einen echten, hitverdächtigen Ohrwurm kommt aber kein Musical aus, das ein Kassenerfolg werden soll, und die „Gefährlichen Liebschaften“ sind von Kverndokk und Wiik keineswegs nur für das Stadttheater Pforzheim geschrieben worden.

Immerhin tut das Pforzheimer Ensemble alles, um aus der Uraufführung einen Erfolg zu machen. Georgios Vranos bemüht sich mit dem Städtischen Orchester Pforzheim redlich, aus der nicht gerade sprühenden Musik trotzdem Funken zu schlagen. Sehr engagiert legen sich die Darsteller ins Zeug, allen voran Lilian Huynen als intrigante Marquise de Merteuil, die sich an ihren untreuen Liebhabern rächen will. Vielleicht will sie sich als früh Emanzipierte auch an allen Männern rächen, der Text ihres Songs im ersten Akt legt das nahe. Jedenfalls singt und spielt Lilian Huynen die betrogene Betrügerin furios.

Ihr Komplize, Konkurrent und Liebhaber Valmont fällt da schon eindimensionaler aus. Jon Geoffrey Goldsworthy hat fraglos Stimme. Schlank und groß hat ihn Regisseur Philipp Kochheim zu einer Art Nosferatu der Herzensbrecher stilisiert. Schwarzer Mantel, schwarze Haare, schwarzes Herz. Überhaupt verraten schon die Farben von Ute Frühlings Kostümen, wer in welche Schublade gehört. Warme Erdfarben für Madame de Tourvel, die einzige, die zu echter Liebe fähig ist, von Nicole Nothbaar mit voller Altstimme gesungen. In hellblau kommt Cécile, ganz jungmädchenhafte Unschuld, die ihr natürlich von Valmont geraubt wird. Tanja Schmidt spielt Cécile frisch, die musicalübliche Mikrofonverstärkung bekommt ihrem hellen Sopran nicht immer.

Bei all den Bezügen, die Kverndokk und Wiik zu „Don Giovanni“ hergestellt haben, verwundert es nicht, dass Valmonts Diener Azolan ein zweiter Leporello ist. Leider nicht so witzig wie das Original, obwohl Tobias Amadeus Schöner lebendig agiert. Filippo Deledda hat es als Danceny leichter, diese Figur ist ohnehin nur Spielball zwischen Merteuil und Valmont. Sirkka Parviainen als Céciles besorgte Mutter und Gabriela Zamfirescu als Valmonts Tante Rosemonde komplettieren das gut besetzte Ensemble. Als völligen Missgriff muss man dagegen die einzige Balletteinlage abbuchen, die weder stilistisch noch dramaturgisch passt.

Wenn sich Regisseur Kochheim nur hätte entscheiden können, was er eigentlich inszeniert. Das gemeinsam mit Norbert Ziermann entworfene Bühnenbild verrät die Neigung zu moderner Oper. So unbekümmert wie Kverndokk verschiedene musikalische Stile verarbeitet, springt Kochheim durch die Zeiten. Mögen die Kostüme an das 18. Jahrhundert erinnern, der Regisseur bringt stets das Hier und Heute ins Spiel. Da wird telefoniert, Danceny schleppt einen Motorradhelm mit, die Zofe hantiert mit dem Staubsauger. Aber zum finalen Duell nimmt man noch den Degen. Diese Brechungen tragen nicht dazu bei, das Stück oder die Figuren ernst zu nehmen. Die „Gefährlichen Liebschaften“ bescheren dem Publikum ein harmloses Vergnügen, nicht weniger – aber eben auch nicht mehr.

Nike Luber

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