Statt seiner trat nun die Stage auf den Plan und übernahm im Handstreich vier weitere der insolventen Stella-Theater – schon nach der ersten Bauchlandung Stellas 1999 hatten sich die Holländer deren Essener „Elisabeth“ einverleibt. Das heißt, natürlich nicht im Handstreich, das hätte allzu sehr eben jenen Wirtschaftsruch, den van den Ende und Klokow tunlichst vermeiden wollen. Statt von Standortfaktor und Marketingkonzept reden die Stage-Macher lieber von lebendigem Musik-Theater und Produzenten aus Leidenschaft. Meiden Worte wie Produkt und Zielgruppe, sondern beschwören das „Zusammenspiel von Individualisten und Verrückten“ und nächtelange Diskussionen über neue Stücke. Theater, das seien keine Abspielstätten, sondern künstlerische Treffpunkte. Qualität contra BilanzenMan hat aus den Fehlern der Stella gelernt, die trotz ihrer 15-jährigen Vorherrschaft auf dem deutschen Musical-Markt doch vieles falsch gemacht hatte. Dort wurde in erster Linie auf die Bilanzen geschaut, kaum auf die Kritiken, mussten Produktionen für nicht immer ganz astreine Immobiliengeschäfte herhalten. In den Musicals sahen Schwenkow und seine Vorgänger vor allem schier unerschöpfliche Geldquellen, die – einmal angezapft – ohne große Pflege unaufhörlich weiter sprudelten. Und vergaßen darüber, sich um neue Stücke zu kümmern, denn irgendwann war auch für die scheinbaren Dauerbrenner der Sättigungsgrad an ihren Standorten erreicht. Volkswirtschaftlich betrachtet. Nun also die Künstler, die sich entsprechend „The Theatre Company“ nennen. Van den Ende, der sich am liebsten als Impresario sieht. Klokow, der letzten Herbst zum „Hamburger des Jahres“ gewählt wurde – allerdings in der Kategorie Wirtschaft. Und dennoch nicht müde wird, die „eigene Seele“ einer jeden Stage-Produktion zu beschwören, sich gegen die Vorwürfe einer Vereinheitlichung der Inszenierungs-Ästhetik und des Branchen-Monopols zu wehren. „Es gibt keine Monopolstellungen in der Theaterwelt.“ Vielmehr müsse jedes Stück bei den Menschen ein Bedürfnis wecken und sich seine Anerkennung beim Publikum „erarbeiten“. „Ich glaube daran, dass jede Produktion, jedes Musical sich seinen eigenen Markt schafft.“ Markt-AspekteDa fällt es dann doch plötzlich, das Unwort: Markt. Denn natürlich sind auch Klokow und sein Team knallharte Strategen. Haben sich beim Übernahme-Poker um die bankrotte Stella nicht nur von deren aufgeblähtem Verwaltungsapparat getrennt, sondern vom Insolvenzverwalter auch noch die „Abwicklung“ etlicher hundert weiterer Stellen gefordert – anders wäre dieser Theater-Coup kaum finanzierbar gewesen. Haben die zuvor (horrenden) Mieten für die Theater gedrückt sowie die Künstlerverträge neu ausgehandelt – nicht wenige in der neuen Belegschaft stöhnen denn auch über schlechtere Arbeitsbedingungen und Löhne. Reichlich Gelder sind hingegen in die Umbauten der Spielstätten zu prachtvollen Glas- und Marmor-Bauten geflossen. Und auch die „klassischen Theaterfarben Schwarz und Rot“ (Klokow) fehlen nicht – schon der gleiche Teppichboden garantiert den Wiedererkennungseffekt in den Spielstätten. Ähnlich wie die zahlreichen, großformatigen Gemälde in den hellen und großzügigen Foyers aller Häuser, die Galerien moderner Kunst gleichen. Eindrücke, die der Musical-Marktforscher Martin Heins als Voraussetzung für die Konkurrenzfähigkeit des Genres sieht: „Schon die räumliche Gestaltung der Spielstätten sollte zu einem Erlebnis werden.“ Und auch auf dem eigentlichen Produktionsfeld haben sich die Stage-Macher als clever kalkulierende Profis gezeigt: Dank Kooperationen mit Entertainment-Größen wie Disney hat sich der niederländische Konzern weltweit mehr als 70 Lizenzen gesichert, kann so seine Musicals durch Städte und Länder rotieren und etwa in Hamburg gleich drei Stücke parallel laufen lassen: Das poetische Ethno-Musical „Der König der Löwen“, den Gute-Laune-Hit „Mamma Mia!“ und seit Dezember auch das technisch höchst aufwändige Untergangs-Melodram „Titanic“ – keine Klone, sondern durchaus eigenständige Produktionen. Zum Imperium gehört ebenso die US-Firma Dodgers Theatricals, „producing Broadway since 1978“, wie die Rechte für eine Elton John-„Aida“ oder das für 2004 in Berlin geplante Wende-Musical „Change“. Und in Hamburg soll künftig der Darsteller-Nachwuchs in einer hauseigenen Kaderschmiede für die Großproduktionen der Stage getrimmt werden. ExpansionKlokow macht denn auch aus den Gründen für den Erfolg kein Geheimnis: Die kürzeren Spielzeiten – zwei bis maximal vier Jahre –, das exklusive Ambiente der Theater und die Qualität der Produktionen. Ein klares Konzept, mit dem „The Theatre Company“ in Deutschland weiter expandieren will. Als neue Produktionen sind „Aida“, „Les Miserables“ und „42nd Street“ im Gespräch, neben Nachfolgern für die auslaufenden Musicals „Elisabeth“ (Herbst 2003) und „Tanz der Vampire“ in Stuttgart (2004) soll künftig auch das Berliner „Theater des Westens“ bespielt werden. Gesucht wird zudem eine Spielstätte in München – und selbst ein Gang nach Nordrhein-Westfalen scheint nicht ausgeschlossen.
Bislang ist dort noch eine Gruppe um die Produzenten Thomas Krauth und Andrea Friedrichs Marktführer, zeigt im Düsseldorfer „Capitol“ das Tanz-Musical „Miami Nights“ und im Kölner Musical Dome ab Mitte März das zuvor in Bremen gefloppte „Jekyll & Hyde“. Die Dekorationen fallen hier nicht ganz so üppig aus, man ist schon mit Auslastungen von über 80 Prozent „hochzufrieden“ und freut sich zudem über den Erwerb eines Oldies aus dem Stella-Konkurs: Der Bochumer „Starlight Express“ rollt nun schon seit 15 Jahren, im Herbst wird der zehnmillionste Besucher erwartet und selbst eine Verlängerung über den Sommer 2004 hinaus scheint nicht ausgeschlossen. Dennoch wird auch hier über Expansion nachgedacht, ist Berlin als weiterer Spielort im Gespräch – schließlich halten Krauth und Co. die Lizenz für „Saturday Night Fever“. KonkurrenzMutig, mutig – immerhin würden die Rheinländer dann in der Hauptstadt auf drei Stage-Produktionen stoßen, wenn 2004 das geplante Scorpions-Stück „Change“ anläuft. Aber vielleicht richtet Klokow sein Augenmerk ja vorrangig auch erst mal auf München. Was dann allerdings die Konkurrenz im nahen Füssen wenig freuen dürfte: Wo der Hamburger „König der Löwen“ bereits nach einem Jahr 1,2 Millionen verkaufte Tickets vermeldet, zählt das bayrische König-Ludwig-Musical „Sehnsucht nach dem Paradies“ fast drei Jahre nach seinem Start grade mal die gleiche Besucherzahl. Zudem hatte das dortige Musical Theater Neuschwanstein 2002 mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen, da für einen Teil der investierten 46 Millionen Euro zu kurzfristige Kredite mit zu hohen Tilgungsraten abgeschlossen worden waren. Und obendrein die mehr als 200 privaten Geldgeber der Ludwig Musical AG & Co. KG endlich Rendite für ihre Einlagen sehen wollten. Probleme, die Klokow und seine deutsche Stage Holding nicht haben: Dank seines Milliarden-Vermögens kalkuliert Joop van den Ende langfristig. Künstlerisch und geschäftlich. Erfolg ist eben planbar. Zwar nicht, indem man Produktionen klont. Aber zumindest die Bedingungen für das perfekte Erlebnis. Auch wenn das eigentliche Musical damit nicht länger die Hauptrolle spielt.
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|