Denn wenn einem Regisseur zum Tod des Teufels nicht mehr einfällt, als eine riesige Treppe auf die Bühne zu hieven, die sich unverändert und immerfort im Kreis dreht – mit einigen Statisten, die beliebig über die Bühne purzeln (von Protagonisten kann in Balázs Kovaliks Inszenierung wahrlich keine Rede sein) –, so ist das schon betrüblich. Dabei geht es doch in des Teufels Tragödie um abgründige Sozialkritik. Das Libretto von Albert Ostermaier, der schon beim Musiktheater „Sing für mich, Tod“ nach dem Leben des Komponisten Claude Vivier mitgemischt hatte (die Uraufführung war im September im Rahmen der Ruhrtriennale), fußt auf Imre Madáchs „Die Tragödie des Menschen“ von 1861. Dieses Drama reflektiert wiederum teilweise Goethes „Faust“. Und da ist also der Teufel (vortrefflich: Georg Nigl), der an der Vertreibung Adams (Topi Lehtipuu) und Evas (Cora Burggraaf) aus dem Paradies nicht gerade unschuldig ist: In zwölf Bildern jagt er das Paar durch die Menschheitsgeschichte. Aber: „Das Böse löst sich von der Figur des Teufels und diffundiert“, erklärte Ostermaier vorab. Damit werde die Tragödie des Teufels zur Tragödie des Menschen, weil er das Böse in sich selbst vorfinde. Größter Unterschied zur Vorlage: Bei Madách befreit Eva ihren Adam aus den Klauen des Lucifer, in der Oper bringt Adam – angestachelt von Lucy (Ursula Hesse von den Steinen) – seine schwangere Eva um. Freilich ließe sich Ostermaiers Libretto diskutieren; und dass Péter Eötvös zu den großen Opernschöpfern des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts zählt, ist sicherlich vollkommen unstrittig. Doch schon im Musiktheater „Lady Sarashina“ von 2008 hatte man den Eindruck, dass Eötvös’ klangliche Erfindungen mitunter am Dekorativen vorbeischliddern und sich etwas wiederholen. Das könnte man stellenweise auch seiner neuen Opernkreation vorwerfen, und dennoch: Auch in des „Teufels Tragödie“ arbeitet Eötvös bühnen- und publikumswirksam mit verschiedenen musikalischen Materialien, mischt virtuos die Farben und findet klangdramaturgisch konzise Lösungen, was das Bayerische Staatsorchester klangsinnlich verlebendigte. Wie häufig bei Eötvös ist auch hier das Orchester in zwei Ensembles aufgeteilt: Eines befand sich im hinteren Teil auf der Bühne, hier musizierten Bläser und fast alle Streicher (Kodirigent: Christopher Ward). Das andere leitete Eötvös selbst, es saß im Graben und war größtenteils mit dem reichhaltigen Schlagwerk besetzt. Und doch waren es vornehmlich die dezidiert kammermusikalisch erdachten Momente, die in der konsequenten Reduktion einen schier unendlichen Reichtum an schöpferischer Erfindung offenbarten. Dies gilt insbesondere für das neunte Bild („Lucifers Lied“): Kunstvoll lässt Eötvös hier den ausgedehnten Monolog des Teufels nur vom Klavier begleiten. Dass Balázs Kovaliks Regie die bilderreiche Flexibilität des Klangs nicht erkannte und umsetzte, ist bedauerlich: Vieles erschien allzu hölzern und starr. Rosamund Gilmores umsichtige Inszenierung von Eötvös’ Meisterwerk „Tri Sestri“ von 1998, die zuvor an der Bayerischen Theaterakademie Premiere hatte, zeigte, dass es auch anders geht: Ihre Regie schenkte der Musik sehr viel Raum zur Entfaltung. Stimmlich und darstellerisch leisteten die Gesangsstudenten Großes, wobei sie nicht zuletzt vom fantastisch gestaltenden Münchner Rundfunkorchester unter der musikalischen Leitung von Ulf Schirmer profitierten (Kodirigent: Joachim Tschiedel). So wünschte man sich eine derart sinnstiftende Inszenierung auch für des Teufels Tragödie, und dass Eötvös in seiner neuen Oper keinen Countertenor einsetzt – im Gegensatz zur Originalfassung der „Drei Schwestern“, die für die Produktion der Bayerischen Theaterakademie leider nicht gewählt wurde –, ist ebenfalls schade. Marco Frei |
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