Es scheint also nicht generell so zu sein, dass Geld, wie man manchmal meinen könnte, einen Bogen um die Kunst macht. Auch jenseits dieses Spitzenbeispiels zeigt der Kunstmarkt dies sehr deutlich. Allerdings wird eine klare Trennungslinie deutlich: die zwischen Haben und Sein, zwischen besitzbarer und transitorischer, „nur“ erlebbarer Kunst wie dem Theater oder der Musik. Aus der Sicht privater Investoren wie der mutmaßlichen Käuferin des Giacometti ist dies eigentlich nachvollziehbar. Bei derartigen Beträgen wird selbst der leidenschaftlichste Kunstliebhaber auch ein knallhartes wirtschaftliches Kalkül im Hinterkopf haben. Diese Bevorzugung des Habens gegenüber dem Sein scheint sich aber auch in den Köpfen der öffentlichen Kunst- und Kultur-Financiers festgesetzt zu haben. Eines der jüngsten Beispiele ist die Stadt Köln: Nur wenige Monate, nachdem der Kämmerer vollmundig verkündet hat, zur Sanierung des Stadtsäckels müsse der Kulturetat um 30 Prozent reduziert werden (ganz so schlimm kam es dann – jedenfalls bisher – doch nicht), beschloss der Rat der Stadt den Abriss des schönen, bescheidenen, im harmonischen Ensemble mit dem benachbarten Opernhaus entworfenen und zusammen mit ihm denkmalgeschützten Schauspielhauses. Dies jedoch – man ist zur Zeit fast geneigt zu sagen: ausnahmsweise – nicht etwa, um das Schauspiel gänzlich abzuwickeln. Nein: Es soll aller Kassenknappheit zum Trotz ein neues Haus an anderer Stelle gebaut werden - gegen den eindringlich erklärten Willen der betroffenen Künstler und eines großen lebendigen Teils der Bürgerschaft. Ist dies nun ein großherziges, zu unrecht verschmähtes Signal der Politik zugunsten der Kunst? Wohl kaum. Dass die Mehrkosten des Neubaus gegenüber denen der sicherlich notwendigen Sanierung des bestehenden Hauses über Jahre hinweg zu Lasten des Kulturetats und damit vor allem der ausübenden Kunst gehen werden, ist nicht zu bezweifeln. Über ihre Höhe besteht übrigens noch keinerlei Klarheit – abgesehen davon, dass es sich um einen gehoben zweistelligen Millionenbetrag handelt. Der Verdacht muss sich aufdrängen, dass es den handelnden Politikern nicht darum geht, der darstellenden Kunst neue Freiheiten zu eröffnen, sondern vielmehr darum, sich selbst ein steinernes Denkmal zu setzen – im Namen der Kunst auf deren Rücken. Doch zurück zum Giacometti: Die Rendite von über 10.000 Prozent in 30 Jahren zeigt einmal mehr ein besorgniserregendes Phänomen, das in erheblichem Maße für die Wirtschaftskrisen des vergangenen Jahrzehnts mitverantwortlich ist: Geld hat die Neigung zur Blasenbildung – quasi eine eigene Form der Gravitation, und das offenbar an fast jedem Objekt. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn es nicht eigentlich einmal als neutrales „Zwischentauschmittel“ für reale Werte erfunden worden wäre. Wenn aber Preisentwicklungen nichts mehr mit Wertentwicklungen zu tun haben, so kann es einem um die Volkswirtschaften der Welt, die auf Geld als verbindlichem Wertmaßstab aufbauen, schon bange werden. Das psychologische Moment, das dahinter steht, ist in letzter Zeit gerne in einem Schlagwort zusammengefaßt worden: Gier! Doch greift das nicht zu kurz? Gerade die Blasenbildung führt doch dazu, dass dem vermeintlichen Geldwert kein adäquater realer und damit erfahr- und genießbarer Wert mehr gegenübersteht. Ist es nicht – ebenso wie bei den Erbauern des neuen Schauspielhauses – auch ein erheblicher Anteil an jenseits des Materiellen beheimatetem Geltungsdrang, darauf gerichtet, der Welt zu zeigen, ich kann (mir) etwas leisten, das kein anderer kann? Wäre das dann eine Insel des Seins-Bewußtseins in der Welt des Habens? Der Gefährlichkeit des Tuns täte es allerdings keinen Abbruch. Kleine Kuriosität zum Schluss: Von dem Verkaufserlös, den die Commerzbank erzielt hat, wird der Steuerzahler voraussichtlich nicht einen Cent sehen – dabei hatte er der Commerzbank im Vorjahr mit 16,4 Milliarden Euro unter die Arme greifen dürfen. Er kann also getrost weiterhin reale Werte schaffen – materielle und immaterielle. Tobias Könemann
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