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Editorial

Frau Merkel hat Geheimnisse. Warum sonst sollte sie sich bei „Mate“ Barack beschweren, dass ihr Mobiltelefon seit über zehn Jahren durch amerikanische Dienste abgehört worden sei? Sie bittet um „sofortige und umfassende Aufklärung“: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Dass es sich dabei nicht um Ihr Regierungs-Krypto-Handy, sondern lediglich um das Mobiltelefon handelte, das für die Parteiarbeit genutzt werde, macht den Vorgang für sie offensichtlich nicht weniger brisant. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die bisherigen Aufdeckungen, ausgelöst durch die Offenbarungen des neuen Staatsfeindes Nr. 1 Edward Snowden – der schon droht, Chelsea (alias Bradley) Manning und Julian Assange den Rang abzulaufen –, im Grunde kaum Empörung hervorzurufen vermochten, geschweige denn eine echte politische Auseinandersetzung.

   

Gerrit Wedel

 

Nicht einmal im gerade hinter uns gebrachten Wahlkampf wurde das ernsthaft zum Thema gemacht. Offensichtlich fand die „Zusammenarbeit“ mit den amerikanischen Freunden parteiübergreifend mehr Zustimmung als Kritik, zumindest solange es abstrakt nur um den durchschnittlich mündigen, freien und pflichtbewussten Bürger ging – und nicht um die Regierungshandelnden. Bei Mutti immerhin nimmt sich jetzt sogar die Bundesanwaltschaft des Themas an und macht es zum Gegenstand offizieller Untersuchungen.

Da stellt sich doch die Frage, ob es überhaupt noch zeitgemäß ist, Geheimnisse zu haben; wer braucht schon ein Recht auf Geheimnisse, auf informationelle Selbstbestimmung? Man könnte auch einfach fragen, ob es überhaupt die Notwendigkeit auf ein Recht auf Intimität gibt. Der gemeine Bürger, wenn er denn nichts zu verbergen hat, muss sich doch nicht verstecken. George Orwell lässt grüßen, „1984“ ist Realität...

Die USA zeigen damit jedoch ihr perfides Selbstverständnis: Freunde haben keine Geheimnisse voreinander, aber die so genannten Whistleblower, die das eigene Nest beschmutzen, werden lieber vorsorglich mit drakonischen Haftstrafen als Staatsfeinde weggeschlossen.

Konsequent weitergedacht entpuppt sich die NSA dabei eigentlich sogar als echter Menschenfreund: Schließlich wird alles menschenrechtswidrige Einlochen und Wegsperren wie z.B. in Guantanamo (wieso eigentlich hat Obama das immer noch nicht geschlossen?!?) samt dazugehöriger „Wellness-Behandlung“ mit wechselnden Wasserbädern, kostenloser intervallartiger Stromzufuhr und immerwährendem Licht in kuscheligen Räumlichkeiten im Grunde genommen überflüssig, denn um Informationsgewinnung könnte es da ja zumindest nun nicht mehr gehen.

Schön an dem Gedanken der absoluten Geheimnisfreiheit ist allerdings, dass uns Kunst- und Kulturschaffenden dann vielleicht auch endlich uneingeschränkt die Gedankengänge und tatsächlichen Beweggründe der für den unentwegten Abbau der kulturellen Infrastruktur verantwortlichen Entscheidungsträger erschlossen würden.

Ein passendes Zitat unseres Geschäftsführers Tobias Könemann in diesem Zusammenhang: „Eigentlich hätte Snowden den Friedensnobelpreis verdient; was er für den Erhalt der Demokratie geleistet hat, ist einzigartig.“

Dass terroristische Vereinigungen ausgespäht werden, ist unerlässlich, aber ist die Bundesrepublik eine terroristische Vereinigung? Auch Amährika braucht Freunde, und eben nicht nur ziemlich beste Ausgespähte.

Gerrit Wedel

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