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Bunt und frech

Die »Zauberflöte« in Rheinsberg

Ein kräftiger Vollmond lugt durch die Hecken, gerade als Sarastro seine Hallenarie anstimmt. Bei klarem Himmel. Das Wetter meint es gut mit der zweiten Vorstellung der „Zauberflöte“ beim Festival Kammeroper Schloss Rheinsberg. Rheinsberg hat einiges in Sachen Musiktheater zu bieten, mitten in einer wahrhaften Urlaubsregion – auch an anderen Spielstätten: „Judith“, einen der ganz großen Würfe des Opernkomponisten Siegfried Matthus zum Beispiel oder ein konsequentes Förderkonzept für den Opernnachwuchs.

Iryna Dziashko als Papagena, Bernhard Hansky als Papageno mit den drei Knaben Anna-Lena Kaschubowski, Eunyoung Sul und Georgia Tryfona. Foto: Kammeroper/Henry Mundt

Iryna Dziashko als Papagena, Bernhard Hansky als Papageno mit den drei Knaben Anna-Lena Kaschubowski, Eunyoung Sul und Georgia Tryfona. Foto: Kammeroper/Henry Mundt

Zum Glück wird am zweiten „Zauberflöten“-Abend draußen gespielt, denn diese Inszenierung möchte man am Ende keinesfalls verpasst haben. Frisch freches musikalisches Freilufttheater wird geboten, das höchsten künstlerisch-technischen Ansprüchen genügt. Kurzweil pur im stimmungsvollen Ambiente des Schlossparks – doch nicht ohne fantastischen Hintersinn, Witz und eine eigene Poesie – haben Regisseur Kay Kuntze und Ausstatterin Johanna Maria Burkhart mit der Zauberflöte gezaubert.

Theater auf dem Theater – mit Liebe zum Detail und bis ins Letzte durchkomponiert lassen Kuntze und sein Team einem Singspiel seinen Raum, das in vielen Punkten aus heutiger Perspektive fragwürdig sein mag; es ist Theatergeschichte, mit der sie sich auseinandersetzen. Nicht ohne Augenzwinkern führen sie die theatralen Archetypen vor. Die drei Knaben sind die Spielmacher. Sie malen Kulissen, sind Inspizienten und Souffleure – ohne sie keine Beinahe-Katastrophe und ohne sie keine Lösung. Doch eigentlich geht es gar nicht darum. Kuntze erzählt eine Geschichte, die wohl jeder im Heckenrund kennt, die aber auch jeder, der sie doch nicht kennt, verstehen kann. Und eigentlich ist es immer wieder nur der Zauber des Theaters, von dem er erzählt, vom Reiz des Absurden und der Poesie des Aberwitzigen und natürlich der Überzeugungskraft des Unlogischen. Das Märchenhafte wird nicht ausgespart und auch nicht das Effektvolle. Papageno auf dem Vogelfahrrad, das in Fusion mit dem Papagena-Fahrrad ein Herzchen erschnäbeln kann, die Wanderbühnenkulisse für den ersten Akt und das faszinierende Spiel mit Natur- und Kunstlicht, wahrscheinlich ist es unmöglich, alles beim ersten Male zu erfassen, denn Einfall jagt Einfall.

Und auch aus der Not, dass im Rheinsberger Heckentheater das Orchester von faszinierender visueller Präsenz ist – es lässt sich nicht versenken –, macht diese Inszenierung eine Tugend. Die Brandenburger Symphoniker musizieren unter Michael Helmrath einen schönen frischen Mozart. Und Helmrath erweist sich auch unter den nicht immer einfachen Freilichtbedingungen als Musiktheaterroutinier. Offenbar haben aber auch seine Musiker genau wie er Freude daran, in die Opernhandlung einzugreifen, Papagenos Selbstmordcountdown mitzuzählen und so weiter. Und wenn man mit solch sensibler Tonregie zu Werke geht, dann darf im Freien durchaus mit Lautsprecherverstärkung gesungen werden. Auf jeden Fall ist das, was hier am Mischpult gemacht wird, schlicht mustergültig. Der Chor rekrutiert sich überwiegend aus Laien aus der Gegend. Dafür schlagen die sich wacker, und Kuntze löst in seinem Finale den Mangel geschickt auf, indem er absolut alle Solisten einstimmen lässt in den großen Sarastro-Jubel. Wer angesichts dieses Finales die wunderbar poetische Ironie nicht spürt, dem mag zwar nicht zu helfen sein, aber das schadet auch nicht – an dieser Produktion haben einfach alle Spaß: die Radwanderer, die das einmal mitnehmen, weil sie gerade dort sind, die Musiktheater-Freaks, die seit einem Vierteljahrhundert Rheinsberg als einen Hort brillanten Musiktheaters kennen, und die Hauptstädter in der Sommerfrische natürlich.

Und dann lebt diese Inszenierung vor allem auch von der Spielfreude des international besetzten jungen Ensembles. Musikalisch lässt das fast ausnahmslos nichts zu wünschen übrig. Den einen oder anderen Namen wird man in der weiten Opernwelt wohl auch wieder hören: vielleicht jenen des souveränen Papageno Bernhard Hansky, oder den von Marija Mitic mit ihrer so klar geführten Stimme als Pamina, den der Bilderbuch-Königin Larissa Alice Wissel oder noch ganz andere. Schönster Mozartgesang alles in allem. Dass es der Sarastro Erik Ginzburgs nicht unbedingt mit Stimmkultur und Intonation hat, dafür entschädigt besagter Vollmond.

Tatjana Böhme-Mehner

 

 

 

 

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