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Kulturpolitik

Was lange währt...

Die Staatsoper Unter den Linden kehrt heim

Auf die Wiedereröffnung der Staatsoper Unter den Linden hat Berlin lange warten müssen. Sieben Jahre blieb das Stammhaus mit seinem klassizistischen Portikus wegen einer Generalsanierung geschlossen. Bis Sommer 2017 fanden die Aufführungen im wesentlich kleineren Schillertheater statt, einer ehemaligen Sprechbühne im Westen der Stadt. Mit einem Festkonzert zum 275. Geburtstag der Staatsoper wurde am 7. Dezember der reguläre Spielbetrieb am historischen Ort wiederaufgenommen, nachdem das Haus im Oktober bereits kurzfristig für ein fünftägiges „Präludium“ geöffnet hatte.

Als erste Opernpremieren standen im Dezember „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck und „L‘incoronazione di Poppea“ von Claudio Monteverdi auf dem Programm.

Letzte Bauarbeiten: Staatsoper Unter den Linden im neuen Rosa. Foto: Gordon Welters

Letzte Bauarbeiten: Staatsoper Unter den Linden im neuen Rosa. Foto: Gordon Welters

Eigentlich hätte sich der Vorhang bereits 2013 wieder heben sollen, doch die Arbeiten an dem maroden Gebäude zogen sich erheblich in die Länge. Die ursprünglich mit 239 Millionen Euro veranschlagten Baukosten verdoppelten sich beinahe auf stattliche 400 Millionen Euro, die aus öffentlichen Mitteln von Bund und Land, Beiträgen von Förderern sowie Spenden aufgebracht wurden.

Die gesamte Sanierungsphase war von heftigen Kontroversen begleitet, auch an der Ästhetik schieden sich die Geister. Der bei einem Architektenwettbewerb ausgewählte Siegerentwurf von Klaus Roth wurde nach Protesten von Politikern und einflussreichen Bürgern gekippt. Den Gegnern des Projekts ging es gegen den Strich, dass der im Neorokoko-Stil gestaltete Zuschauerraum radikal modernisiert werden sollte. Sie erinnerten daran, dass auch der angesehene Dirigent Erich Kleiber am Traditionellen festgehalten hatte. In den 1950er-Jahren hatte er sogar damit gedroht, den Posten des Generalmusikdirektors auszuschlagen, sollte das durch Bombardements zerstörte Haus nicht wieder in den Vorkriegszustand versetzt werden. Die Befürworter von Roths Entwurf argumentierten hingegen, das von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaute Haus sei seit der ersten feierlichen Eröffnung 1742 als Hofoper Friedrichs des Großen mehrmals umgestaltet oder komplett wiederaufgebaut worden.

Wenig sichtbare Veränderungen im Saal. Foto: Gordon Welters

Wenig sichtbare Veränderungen im Saal. Foto: Gordon Welters

Auch im 21. Jahrhundert setzten sich am Ende wieder die Liebhaber von Stuck und Blattgold durch. Das Architekturbüro HG Merz erhielt den Zuschlag für eine Sanierung, die rein äußerlich fast alles beim Alten beließ. Als erstes bemerkt man zwar den neuen Anstrich der Fassade, für deren Rosa-Ton allerdings historische Belege gefunden werden konnten. Die Modernisierung der veralteten Bühnentechnik ist für die Zuschauer nicht unbedingt sichtbar. Die auffälligsten Veränderungen im Saal dienten im Wesentlichen der Verbesserung der Akustik, einem Hauptanliegen von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim.

Nach dem Wiederaufbau des Opernhauses durch den DDR-Architekten Richard Paulick betrug die Nachhallzeit zunächst weniger als eine Sekunde. Eine elektronische Akustikanlage war somit unumgänglich. Renovierungen in den 1980er-Jahren erbrachten kaum bessere Resultate. Der künstlich verstärkte, aber immer noch zu trockene Klang blieb für Sänger, Orchester und Zuhörer unbefriedigend. Um das Volumen des Saales zu vergrößern, ließ HG Merz die Decke um fünf Meter anheben. Über dem dritten Rang wurde hinter einer elfenbeinfarbenen Konstruktion aus glasfaserverstärkten Keramikgittern eine Nachhallgalerie eingebaut. Dadurch hat sich die Nachhallzeit ohne weitere Verstärkung von 1,1 auf 1,6 Sekunden erhöht. Laut Merz sind ähnliche akustische Bedingungen wie etwa im Bayreuther Festspielhaus und in der Semperoper geschaffen worden. Barenboim zeigte sich von dem Ergebnis begeistert.

Zuhörer im Parkett und auf den Rängen haben bisher allerdings geteilte Eindrücke mit nach Hause genommen. Zum Auftakt des „Präludiums“ am 3. Oktober mit Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ in der Inszenierung des scheidenden Intendanten Jürgen Flimm und unter der musikalischen Leitung Barenboims fiel sofort eine deutliche Verbesserung der Akustik auf. Der Klang der im Graben positionierten Staatskapelle war transparent und verteilte sich gleichmäßig im Raum. Auch die Stimmen der Sänger – etwa Roman Trekel als ein nach Höherem strebender Faust, Elsa Dreisig als naives Gretchen und René Pape als böser Mephistopheles – waren klar und deutlich zu hören, ebenso wie die der Schauspieler, die im Bühnenbild des Malers Markus Lüpertz Teile aus Goethes Meisterwerk rezitierten. Letzteres führte allerdings dazu, dass sich der durch obligate Ansprachen und Grußworte ohnehin schon wortlastige Abend arg in die Länge zog. Der musikalische Faden der „Faust-Szenen“, die, ohnehin nicht für die Opernbühne geschrieben, gattungstechnisch zwischen Oratorium und Chorsinfonie anzusiedeln sind, riss mehrmals ab. Nach herben Verrissen legte Flimm nochmals Hand an und präsentierte im Dezember eine neue szenische Fassung.

Hinter der Nachhallgalerie. Foto: Gordon Welters

Hinter der Nachhallgalerie. Foto: Gordon Welters

Von der Akustik her war der Einstand im frisch restaurierten Stammhaus durchaus geglückt. Dafür hinterließen die folgenden Sinfoniekonzerte, bei denen das Orchester nicht im Graben, sondern auf der Bühne spielte, eher gemischte Eindrücke. Beim ersten Abonnentenkonzert der neuen Spielzeit unter dem Dirigat Barenboims wirkte der Klang der Staatskapelle beispielsweise in Schumanns Klavierkonzert a-moll stellenweise diffus. Von einer der vorderen Parkettreihen aus gehört war das Spiel des Solisten Maurizio Pollini dagegen sehr transparent und gut ausbalanciert. Auch an anderen Abenden, etwa mit den Wiener Philharmonikern unter Zubin Mehta und bei dem wieder von Barenboim dirigierten Festkonzert am 7. Dezember, fiel auf, dass dieser Saal geradezu ideal für Kammermusik oder Solostimmen in größer besetzten Werken ist. So traten bei den Wiener Philharmonikern die Soloinstrumente Oboe, Fagott, Violine und Cello in Joseph Haydns „Sinfonia Concertante B-Dur“ besonders plastisch hervor. Ebenso konnte selbst ein zeitgenössisches Werk für großes Orchester wie „Notations I-IV und VII“ von Pierre Boulez beim Geburtstagskonzert überzeugen. Monumentale Sinfonien möchte man sich in der Staatsoper dagegen lieber nicht vorstellen. Für Forte und Fortissimo bleibt die Berliner Philharmonie für Barenboim und seine Staatskapelle wohl weiterhin der geeignetere Spielort.

Corina Kolbe


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