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Hintergrund
Der lange Weg zur Spitze
Der dritte Deutsche Chordirigentenpreis wurde vergeben
Wie steht es um den dirigentischen Nachwuchs für Profichöre? Schaut man sich zum Beispiel nur die Rundfunkchöre an, so gibt es hierzulande offenbar nur wenige Spitzendirigenten, die für die Zusammenarbeit mit solchen Profiensembles in Frage kommen. Und diese relativ wenigen Maestros geben sich bei den Ensembles als Gast- oder Chefdirigenten die Klinke in die Hand. Tatsache ist auch, dass hierfür zurzeit vor allem Dirigenten in Frage kommen, die ihre Ausbildung in anderen Ländern genossen haben, wie etwa den Niederlanden, Großbritannien oder den Baltenrepubliken. Es mangelt also an geeigneten Spitzenkräften, die hierzulande ausgebildet worden sind. Dieses Manko zu beheben, gehört zu den Zielen des Dirigentenforums des Deutschen Musikrats. Daher wurde das bereits lange bestehende Dirigentenforum im Jahr 2008 um die Sparte Chordirigieren erweitert. Was, so die Erkenntnis, jungen Chordirigenten vor allem fehlt, ist die Erfahrung mit professionellen Ensembles, die kein Absolvent einer deutschen Musikhochschule vorweisen kann.
Dreizehn Stipendiaten für Chordirigieren haben durch das Dirigentenforum derzeit die Möglichkeit, mit angesehenen Ensembles, einigen Rundfunk- und Opernchören zu arbeiten. Angeleitet werden sie dabei von namhaften Chordirigenten wie Michael Gläser, Howard Arman, Simon Halsey, Stefan Parkman oder Jörg-Peter Weigle. „Das ist natürlich eine einzigartige Chance“, betont die Finalistin des Deutschen Chordirigentenpreises Ines Kaun, „denn wenn man die nicht hat, kann man die Arbeit mit Profiensembles auch nicht erlernen. Aber hier gibt es die Möglichkeit, im Rahmen von Meisterkursen jeweils eine Woche mit den Ensembles zu arbeiten und sich dadurch weiter zu entwickeln.“ Auch ihre Karriere sieht Kaun im Zusammenhang mit den Chancen, die ihr das Dirigentenforum bietet. Kaun ist seit 2016/2017 Chordirektorin am Theater Heidelberg. Die Erfahrung, dank des Dirigentenforums mit professionellen Opernchören in renommierten Häusern wie Frankfurt oder Stuttgart gearbeitet zu haben, war dabei mit Sicherheit hilfreich.

Preisverleihung an Hsin-Chien Fröhlich. Foto: Kai Bienert
Neben Kaun gehörten Hsin-Chien Fröhlich und Yuval Weinberg zu den Finalisten des 3. Deutschen Chordirigentenpreises, der zugleich Höhepunkt und Abschluss der Förderung beim Dirigentenforum darstellt. Zusammen mit dem RIAS-Kammerchor erarbeiteten die drei Nachwuchsdirigenten ein Programm, das bewusst auf viele musikalische Stilrichtungen setzte. Von der Renaissance bis in die Moderne mussten Chorwerke von Heinrich Schütz, Carlo Gesualdo, Max Reger, Paul Hindemith und Rob Zuidam einstudiert werden. Um ein möglichst vollständiges Urteil abgeben zu können, bewertete die Jury auch die Probenarbeit der Finalisten, und schließlich floss auch das Votum des Chores in die Juryentscheidung mit ein. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wurde auch in diesem Jahr von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) und der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) gestiftet.
Im Finalkonzert schließlich konnte Hsin-Chien Fröhlich Jury wie Publikum am meisten überzeugen, denn sie ging mit der musikalischen Stilvielfalt am besten um. Entscheidend war auch, dass es ihr am besten gelang, die Sängerinnen und Sänger des RIAS-Kammerchores mitzunehmen. Hier zeigt sich, dass für ein Profiensemble die Persönlichkeit des Dirigenten neben allem anderen ein ausschlaggebender Faktor ist. Freuen darf man sich übrigens auch darüber, dass die angestammte Männerdomäne des Dirigierens nun hoffentlich mehr und mehr von Frauen erobert wird. In der kommenden Konzertsaison wird Fröhlich Dirigate beim RIAS-Kammerchor, dem Rundfunkchor Berlin sowie dem WDR Rundfunkchor übernehmen.
Arne Sonntag |