Maestro, nun sind es genau 100 Jahre, seitdem die Welt ohne Sie zurechtkommen muss. Mit Falstaff haben Sie einst Schluss gemacht, zumindest was die Bühnen-Werke betrifft. Mittlerweile zählt man hienieden rund 650 Aufnahmen mit Ihren Opern. Eine wahrhaft stattliche Zahl. Aber eben auch ein bisschen unübersichtlich. Nun wissen wir ja alle nicht so genau, welche Einspielungen Verdi selbst am ehesten gefallen hätten. Daher sollen an dieser Stelle in zwei Folgen jene Aufnahmen herausgepickt werden, die sich ihre irdischen Meriten mühsam verdient haben. Mit Nabucco begann 1842 Verdis Weltruhm. Doch bereits hier fällt die Entscheidung schwer. Maria Callas sang 1949 in Neapel unter Vittorio Gui ihre erste Abigaille eine fulminante Aufnahme, wenn sie nur nicht klanglich so katastrophal wäre. Unter den Studio-Produktionen ist immer wieder Kompromissbereitschaft gefragt. Hier sei Gardellis Einspielung von 1965 mit dem Wiener Opernorchester und dem grandiosen Staatsopernchor hervorgehoben, auch wenn die auf Teufel komm raus singende Elena Suliotis vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Eher schon der überlegene Tito Gobbi in der Titelpartie (Decca/Universal 2 CD 417 407). Wie bei Suliotis ist auch Leontyne Prices Darstellung der Donna Elvira in Ernani technisch nicht ganz ohne Makel. Hier ein wenig überzeugendes Vibrato, dort zuviel Schärfe. Dennoch bereitet diese von Thomas Schippers glänzend geleitete Aufnahme viel Freude, woran Carlo Bergonzi zweifellos den Hauptanteil trägt: Welche Ausdruckskraft, welche musikalische Souveränität! (RCA/BMG 2 CD GD 86503) Gleiches gilt auch für Bergonzis Interpretation des Macduff in Macbeth. Zumal ihm hier mit Leonard Warren und Leonie Rysanek zwei kongeniale Partner zur Seite stehen (RCA/BMG 2 CD GD 84516). Allerdings führt hier kein Weg an Maria Callas vorbei, die 1952 unter Victor de Sabata eine umwerfende, fulminante Lady gesungen hat, der aber mit Enzo Mascherini kein gleichwertiger Bühnenpartner zur Seite steht (EMI 2 CD 566 447). Schließlich sei auf Claudio Abbados Aufnahme von 1976 verwiesen: Chor und Orchester der Scala leisten vortreffliche Arbeit vielleicht die beste von den hier genannten Beispielen , und Piero Cappuccilli singt einen überzeugenden Macbeth (DG/Universal 2 CD 449 732). Die Wahl ist also schwierig. Nicht minder schwer fällt sie bei Luisa Miller, einer Oper, die eine mitunter immer noch etwas stiefkindhafte Rolle in Verdis Schaffen einnimmt. In der Einspielung von 1964 unter Fausto Cleva überzeugen Carlo Bergonzi als Rodolfo und Shirley Verrett als Federica vollends (RCA/BMG 2 CD GD 86646). Dass es dazu noch eine gleichwertige Alternative gibt, ist ein höchst begrüßenswerter Umstand: In der von Peter Maag subtil dirigierten Aufnahme hören wir neben Monserrat Caballé einen Luciano Pavarotti at his best sowie Sherrill Milnes in einem fürwahr beeindruckenden Rollenporträt als Vater Miller (Decca/Universal 2 CD 417 420). Allein mit Rigoletto verwöhnt uns die Schallplattengeschichte gleich im doppelten Dutzend. Zwei Aufnahmen sollen gepriesen sein, die in einer Liga für sich spielen, auch wenn Details mitunter an anderer Stelle überzeugender eingefangen wurden. Giuseppe di Stefano als Herzog, Maria Callas als Gilda und Tito Gobbi als buckliger Vater. Eine ganz wunderbare Aufnahme, die von Tullio Serafin am Pult gesteuert wird. Beklemmend die Authentizität, eindringlich die zahllosen Dramen im Drama (EMI 2 CD 556 327). Fünf Jahre zuvor, im Mai 1950, entstand unter Renato Cellini ein Rigoletto, dem man vielleicht nie einen Schönheits-Preis antragen wird, der aber an Expressivität kaum zu überbieten ist. Was allein Leonard Warren aus der Titelpartie herausholt, ist schlicht sensationell (Preiser/Naxos 2 CD 90452). Auch beim Trovatore liegt das Feld dicht beieinander: Jussi Björling als Manrico in
der RCA-Aufnahme ist schwerlich zu überbieten, auch die Versionen mit Zubin Metha (ebenfalls RCA) und Carlo
Maria Giulini (DG/Universal) beide mit Plácido Domingo zählen zum Erlesensten, womit
unsere Hörer-Ohren verwöhnt werden. Der erste Teil dieses diskografischen Empfehlungsritts endet mit La Traviata. Allein bei den Callas-Mitschnitten hat man drei hochrangige Aufnahmen zur Verfügung. Wenn hier, aller Entscheidungs-Qualen zum Trotz, die Lissaboner Produktion genannt wird, hängt das mit Alfredo Kraus zusammen, der einen Alfredo von höchsten Gnaden singt (EMI 2 CD 556 330). Das orchestrale und chorische Nonplusultra indes kommt aus München: Carlos Kleiber macht das Unmögliche hörbar. Wohl nie hat man das Pariser Treiben bunter und brillanter auf Tonträger bannen können. Die durchweg rühmenswerten Solisten sind unter anderem Ileana Cotrubas, Plácido Domingo und Sherrill Milnes (DG/Universal 2 CD 459 039). Christoph Vratz
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