Zwischen den Welten, zwischen den Zeiten steht auch Walter Braunfels Oper Der Traum ein Leben (nach Grillparzer), ein Werk, das nach der Vollendung in der erzwungenen inneren Emigration (1937) seine eigentliche Ur-Aufführung auf der Bühne nicht erleben durfte. In der musikalischen Sprache schon zur Entstehungszeit eher aus der Retrospektive heraus gestaltet, musste die Ur-Sendung 1950 zwangsläufig in der verspäteten Rezeption der Neuen Wiener Schule und der sich neu formierenden Avantgarde untergehen. Die Regensburger Wiederentdeckung, die sich einreiht in eine verstärkte, bisher aber vornehmlich auf Die Vögel von 1920 fokussierte Braunfels-Rezeption, erwies sich nun als ein über die Beschwichtigungsformel verdienstvoll weit hinausweisendes Signal der Rehabilitierung eines begnadeten Musikdramatikers. Denn retrospektiv bedeutet bei Braunfels nicht ein sich Einrichten in vokaler und orchestraler Fin-de-Siècle-Opulenz, sondern psychologisch subtiles Musiktheater mit den erweiterten Mitteln der (deutschen) Operntradition. Die harten Schnitte, die er mit großem dramaturgischem Gespür und modernistisch ergänztem Instrumentarium setzt, entfalten im Umfeld des unhaufhaltsam fortströmenden Klangflusses ihre Wirkung umso stärker. Regensburgs GMD Guido Johannes Rumstadt, dessen Initiative diese Produktion zu verdanken ist, hatte das Philharmonische Orchester bestens für diese anspruchsvolle, aber durchaus dankbare Aufgabe präpariert. Das Kollektiv erfüllte den großzügig bemessenen Klangraum mit angemesser Leuchtkraft und der nötigen Trennschärfe im instrumentalen Detail. Auch Braunfels Fähigkeit, die Stimmen idiomatisch, aber nicht mit selbstgefälliger Nachgiebigkeit zu führen, wurde vom Sängerensemble mit vorbildlicher Präsenz umgesetzt. Michael Waldenmaiers heldisch-verzweifeltes, gleichwohl durchschlagskräftiges Tenortimbre ergänzte sich bestens mit einer Sally du Randt, die die Doppelrolle als mild besorgte Gefährtin im wirklichen Leben und unerbittlich machtbeflissene Traumprinzessin auch vokal zwischen Schmelz und metallischer Härte souverän anzusiedeln wusste. Gegenüber Adam Kruzels spöttisch-bedrohlichem Zanga fiel Georg Paucker als König allerdings ab, in den Nebenrollen bestach Maria Soulis als die dealende Szenefrau, in die Regisseur Alois Michael Heigl die Rolle der Alten mit dem Gifttrank umgedeutet hatte. Sein im Prinzip nachvollziehbarer Ansatz, die Interpretation der Traum- und Lebenswelten als Ganze in der Schwebe zu halten und stattdessen mit einzelnen, dem musikalischen Verfahren nicht unähnlichen Akzenten immer neue, teils psychologisierende, teils aktualisierende Deutungsfenster zu öffnen, vermochte das Stück nicht über die ganze Strecke zu tragen. Für den in Missbrauch umschlagenden, durchaus mit Zeitbezug aufgeladenen Rausch von Erfolg und Macht, fanden er und seine Ausstatterin Uta Fink nur partiell adäquate Bilder, etwa wenn die neue Herrscherin Evita gleich ans Mikrofon tritt und die Massen ruhig stellt. Nur selten und unentschlossen waren die naiv-märchenhaften Requisitenreste ins Surrealistische verfremdet. Was blieb, war die Realitätsnische, in der Rustan am Ende zwischen den Polen der Selbstbescheidung und des Ausbrechens zweifelnd verharrt. Dennoch war zu spüren, dass hier ein wichtiges Stück Musiktheater des 20. Jahrhunderts möglicherweise im 21. endlich angekommen ist und weitere und weiter gehende Regieanstrengungen vorausgesetzt vor einer dauerhaften Renaissance stehen könnte. Juan Martin Koch |
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