Und die nutzte Olaf Schmidt, seit dieser Spielzeit in der Chefposition, mutig und engagiert. Das beinahe etwas überladene Libretto, zu dem er sich gemeinsam mit Claudia Rieger von den „Vier Jahreszeiten“ Vivaldis inspirieren ließ, beschreibt einen mit konkreten Handlungselementen nicht sparenden Zyklus von Paarbeziehungen. Ausgehend von der trostlosen Winterkälte einer auseinander gelebten Ehe begegnen wir mehreren Frauen auf der Suche nach dem individuellen Glück, nach erfüllter Liebe. Ein Park im Frühling, ein Hotel in der Schwüle des Sommers, eine herbstliche Abflughalle: Diese durch sparsame Bühnenelemente und klare Lichteffekte angedeuteten Szenarien liefern das räumliche Ambiente; ein in die Beobachtung gefangener Engel bildet den Kommentar dazu. Die von Sara Leimgruber souverän gestalteten klassischen Elemente bauen hier den sinnfälligen Kontrast zu einer ansonsten modernen Tanz- und Gestensprache auf, die auch dort, wo sie bisweilen zu sehr an die Handlung gebunden erscheint, immer aussagekräftig und musikalisch plausibel bleibt. Den stärksten Eindruck hinterlassen Julia Leidhold und Jerôme Delbey in ihrem von Hemmnissen geprägten und letztlich vergeblichen Versuch einer Annäherung, einem Moment, der seine Kraft ganz aus dem Tanz heraus entwickelt. Dem folgt nach der Pause eine lockere Reihung von Nummern, die in den Paarbildungen aber doch Querverbindungen erkennen lassen. Einzig dem eröffnenden Fragment aus dem langsamen Satz von Schuberts Streichquintett – einer noch ausbaufähigen Gruppenstudie – fehlt noch die Bindung an das übrige Programm, das sich dann als Feuerwerk intelligenten Tanztheaters entpuppt. Denn es ist schon ein Kunststück, einer derart unsäglichen Version von Piazzollas „Balada para un loco“ (Milva!) ein so konzentriertes und packendes Stück abzulauschen. Nylea Mata Castilla, die beweglichste Tänzerin des Ensembles, liefert hier ebenso eine Glanznummer ab wie Sara Leimgruber und Jérôme Delbey im anschließenden Quintettsatz Piazzollas. Die stilisierten Anspielungen auf getanzten Tango bilden die Folie, auf der sich ein subtiles, augenzwinkernd einschlägige Klischees bedienendes Spiel um erotische Anziehung entwickelt. Nach zwei Tänzen, von denen der zweite sinnfällig mit dem individuellen Ausscheren aus der Gruppe arbeitet, variieren Julia Leidhold und Roberto da Silva diese Konstellation, die dann im abschließenden Bolero multipliziert wird. Was sich da unter der Diskokugel an Balzverhalten beiderlei Geschlechts abspielt, ist zum Brüllen komisch, staunenswert intensiv und der Musik Ravels entsprechend eine einzige Steigerung. Berechtigter Jubel für eine Truppe, die noch zusammenwachsen wird, und für einen Auftakt, der zu großen Hoffnungen berechtigt. Juan Martin Koch |
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