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Oper & Tanz aktuell

38 Jahre alt - …und jetzt?

Überlegungen zum kurzen Tänzerleben · Von Stefan Moser

10.00 Uhr vormittags in München. Ich stehe vor der noch verschlossenen Türe eines kleinen Büros, angemeldet für einen Workshop mit dem Titel: „Praktische Hilfestellung für den Karriereübergang von Tänzern/-innen“. Aus eigenem Interesse und im Auftrag der VdO will ich, sozusagen im Selbstversuch, erfahren, inwieweit ein solcher Workshop tatsächlich weiterhelfen kann. Die Namen der Kollegen/-innen, die an diesem Workshop teilnehmen, durfte ich vorher nicht erfahren. Der Workshop darf nicht an einem Ort stattfinden, an dem einer der Teilnehmer von anderen Kollegen/-innen oder gar Vorgesetzten gesehen werden könnte.

Warum eigentlich diese Vorsichtsmaßnahmen, warum muss alles im Geheimen stattfinden? Die Leiterin des Workshops, Frau Katrin Kolo, beantwortet diese Fragen und bestätigt damit meinen Verdacht: Tänzer, die sich bewusst mit der Zeit nach ihrer aktiven Karriere und der damit verbundenen Problematik auseinander setzen, werden von ihren Direktoren misstrauisch beäugt. Ist es doch offensichtlich, dass sie nicht mehr zu 100 Prozent bei der Sache sind, das heißt nicht mehr 200 Prozent ihrer Zeit, Energie und Konzentration ihrem Beruf und ihrer Company widmen. Als künstlerischer Leiter kann man mit diesen Personen nicht mehr rechnen, jedenfalls nicht in dem Maße, wie man das in den vergangenen Jahren gewohnt war. Kann man diese Personen denn überhaupt noch sinnvoll einsetzen? Ganz offenbar sind sie ja nicht mehr ausreichend motiviert.

Standpunkte, Ansichten und Fragen, die aus einer einseitigen Betrachtungsweise heraus nachvollziehbar sein mögen, die einer genauen Hinterfragung jedoch nicht standhalten und den Blick auf diese Problematik nur noch weiter verbauen, ja, sie verschlimmern.

Durch die hohen Anforderungen ist es Tänzern während ihrer aktiven Karriere so gut wie unmöglich, Interessen abseits ihrer beruflichen Tätigkeit zu verfolgen. Interessen, die, wenn sie einmal geweckt würden, mittel- und langfristig eine berufliche Neuorientierung einleiten könnten. Im Vordergrund stehen die Belange der Direktoren und der Company sowie der eigene Wunsch nach einer möglichst schnellen, zügigen Karriere. Denn um als Tänzer/-in bis zum Tage X Karriere gemacht zu haben, ist man gezwungen, alles andere hintanzustellen und sich ausschließlich seinem Beruf zu widmen. Im Allgemeinen währt ein „Tänzerleben“ durchschnittlich nur 20 Jahre. Zeit für zweite Bildungswege, Fortbildungen und Studien bleibt dabei keine.

Dies geht so bis zu dem Zeitpunkt, an dem einem der Köper den weiteren Dienst an der und für die Kunst versagt, oder man nach spätestens 14 Jahren an einem Haus die Nichtverlängerung ausgesprochen bekommt, da ja absehbar ist, dass man irgendwann in den kommenden Spielzeiten die körperliche Höchstleistung nicht mehr wird bringen können. Und was können Ballettdirektoren mit Tänzern anfangen, die diese Leistung nicht mehr bringen können? Gar nichts!

Nach der aktiven Karriere entsteht für Tänzer also automatisch ein Vakuum. Es ergibt sich eine Überbrückungsphase physischer, psychischer und nicht zuletzt finanzieller Natur. Zwar hat man versucht, über die Tänzerabfindung der VddB einen Puffer zu schaffen, der echte finanzielle Notlagen abfedern kann. Allerdings sollte man, vor allem vor dem Hintergrund der momentanen Rentenentwicklung, mit diesen Geldern nicht allzu leichtfertig umgehen. Man sollte im Gegenteil versuchen, den ursprünglichen Zweck der Mitgliedschaft in der VddB, nämlich die zusätzliche Altersrente, wieder in den Vordergrund zu stellen.

Wann und wie haben Tänzer also die Gelegenheit, sich frühzeitig auf diese Situation vorzubereiten? Es ergeben sich hier wohl zwei Punkte: die Verantwortlichkeit der Ausbildenden und die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber.

Tänzer werden fast ausschließlich von (zumeist ehemaligen) Tänzern ausgebildet. Also von Menschen, die sich am ehesten der Problematik des Karriereüberganges bewusst sein sollten. Sie mussten ihn doch sehr wahrscheinlich am eigenen Leib erfahren. Tänzer werden ausgebildet in allen relevanten, den Tanz unmittelbar betreffenden Punkten und werden zu großer Disziplin, Demut und Hingabe erzogen. Was ihnen jedoch nicht vermittelt wird, ist das Bewusstsein, dass der von ihnen angestrebte Beruf sie im Allgemeinen nicht bis zum Rentenalter ernähren kann. Genau dies zu vermitteln, sollte jedoch Aufgabe und Verantwortung der Ausbildenden sein. Zugegebenermaßen ist es eine Gratwanderung, die angehenden Tänzer/-innen auf einer nüchternen Ebene auf dieses „erst in ferner Zukunft“ auftretende Problem aufmerksam zu machen und es bereits zu diesem Zeitpunkt in ihr Bewusstsein zu rücken – gilt es doch gleichzeitig, sie zu Höchstleistungen, Hingabe und Selbstdisziplin zu motivieren. Trotzdem darf die vermeintliche Schwierigkeit dieser Gratwanderung die Ausbildenden nicht von ihrer Verantwortung entbinden. Erfreulicherweise gibt es inzwischen etliche Schulen, die parallel zur Tanzausbildung einen Schulabschluss, sei es Abitur oder Mittlere Reife, anbieten oder nach Möglichkeiten fördern. Ausreichend ist dies jedoch nicht. Denn auch mit einem Schulabschluss haben Tänzer/-innen noch keinen neuen Beruf. Die Überbrückungsphase bleibt bestehen und die Frage lautet immer noch: „Und jetzt?“
Die Verantwortung der Arbeitgeber ist zu jedem Zeitpunkt relevant. Sie sollte darin bestehen, Interessen von Tänzern/-innen neben der Tätigkeit für die jeweilige Company zu ermöglichen und zu fördern. Die Thematik des Karriereendes und -übergangs an sich darf nicht weiter tabuisiert werden. Die Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter aktiv und unterstützend auf die Problematik ansprechen. Hier hoffen wir auch auf entsprechende Initiativen und Anregungen der BBTK (Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektoren Konferenz), die sich dieses Thema in ihre Agenda geschrieben hat.

Die VdO beschäftigt sich bereits seit längerem mit der Thematik und versucht zukunftsträchtige Modelle, wie sie in anderen Ländern bereits bestehen, zu entwickeln. Vielleicht wird es uns ja gemeinsam mit den deutschen Ausbildungsstätten für Tänzer/-innen, dem vor kurzem von der Bundeskulturstiftung ins Leben gerufenen „Tanzplan Deutschland“, der BBTK und anderen verantwortungsbewussten Institutionen gelingen, unterstützende und hilfreiche Maßnahmen ins Leben zu rufen und so den Tänzern/-innen ihre Hingabe und Aufopferung für ihren Beruf gerecht und fair zu vergelten.

Stefan Moser

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