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Kulturpolitik

Kölner Tanz ohne Schwingboden

An der Hochschule für Musik und Tanz wird gespart · Von Juan Martin Koch

Eigentlich ein normaler Donnerstag im Foyer der Kölner Musikhochschule. Eigentlich. Denn mittendrin machen sich Studierende in Trainingskleidung warm. Ein Schlagzeuger gibt den Rhythmus vor. Und dann sind da diese Kreppband-Aufkleber und Plakate. Zwei Worte stehen darauf: „und Tanz“

Das Motto der Protestaktion, das in einem Videomitschnitt im Netz zu sehen ist, spielt auf den Namen der Kölner Hochschule an: Seit 2008, als nach Abschluss der Bologna-Reform eine neue Grundordnung in Kraft trat, heißt sie „Hochschule für Musik und Tanz“ (HfMT). Damit sollte die Bedeutung der Sparte unterstrichen werden, die seit 1996 an der Hochschule angesiedelt ist. Hervorgegangen war sie aus der 1961 an der berufsbildenden Abteilung der Rheinischen Musikschule eingerichteten Tanzausbildung. Mit der Umbe-nennung ging auch eine Reform einher – das „Zentrum für Zeitgenössischen Tanz“ (ZZT) wurde gegründet. Dort werden seither drei Studiengänge angeboten, wobei sich Studierende nach dem Bachelor Tanz zwischen den beiden Masterstudiengängen Tanzwissenschaft und Tanzvermittlung entscheiden können.

Abwicklung verhindert?

Protestaktion in Köln: Tanzstudierende setzen sich mit kreativen Aktionen gegen Kürzungen zur Wehr. Foto: Jenny Lerose

Protestaktion in Köln: Tanzstudierende setzen sich mit kreativen Aktionen gegen Kürzungen zur Wehr. Foto: Jenny Lerose

Ein Vermittlungsproblem hat derzeit vor allem der erst Ende April ins Amt eingeführte Rektor Heinz Geuen. Seine geplanten Einsparungen, die auch das ZZT treffen, stießen bei den Studierenden auf Ablehnung. Unmittelbarer Auslöser für den eingangs beschriebenen Protest, dem weitere Aktionen in der Kölner Innenstadt folgten, war der zwischenzeitlich ins Auge gefasste Plan, das ZZT mit der Tanzabteilung der Essener Folkwang Universität der Künste zu fusionieren. Auch wenn das Vorhaben schnell ad acta gelegt wurde bleibt der Unmut über drohende Kürzungen bei Lehraufträgen. Diese „drastischen Sparmaßnahmen“ würden, so die Leiterin der Tanzabteilung Vera Sander, „zu einer raschen personellen Ausdünnung beziehungsweise zur Abwicklung des ZZT führen“. Konkret geht es unter anderem um die Frage der Verlängerung zweier auf vier Personen verteilter Stellen, wobei Rektor Heinz Geuen auf Anfrage von „Oper&Tanz“ mitteilte, die beiden halben Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter würden kurzfristig verlängert, während über die Entfristung zweier halber Professuren im Bereich Tanzvermittlung noch nicht entschieden sei.

Gleichzeitig bestätigte er aber den Spardruck, der nicht nur den Tanz, sondern alle Fachbereiche betreffe. Hintergrund ist, dass der HfMT etwa eine halbe Million Euro im Lehrauftragsetat fehlen Das Defizit hat sich im Laufe der vergangenen Jahre unter anderem dadurch angesammelt, dass die Hochschule über das vom Ministerium vorgesehene Volumen hinaus Lehraufträge eingerichtet hatte. Was einige Zeit im Rahmen des Globalhaushalts querfinanziert werden konnte, wurde in dem Moment zum Problem, als in NRW die lange fällige Erhöhung der Honorare wirksam wurde, die der Hochschule vom Ministerium aber nur in der Höhe erstattet wird, die dem ursprünglichen Haushaltsansatz entspricht.

Neuaufnahmen in Gefahr

Die Hochschulleitung will nun, so Heinz Geuen gegenüber Oper & Tanz, unter anderem dadurch gegensteuern, dass im Bereich von künstlerischen Studiengängen, die im Hauptfach vornehmlich von Lehrbeauftragten unterrichtet werden (dies betrifft insbesondere die Standorte Aachen und Wuppertal), für das Wintersemester weniger Studierende aufgenommen werden. Auf lange Sicht sollen laut Geuen die Aufwendungen für Lehraufträge von derzeit 3,8 Millionen um zirka 15 Prozent auf 3,3 Millionen Euro gesenkt werden. Diese Pläne veranlassten einige Dozenten, die Orchestervereinigung zu mobilisieren, die den Rektor in einer Pressemitteilung aufforderte, den „Stopp von Neuaufnahmen in den künstlerischen Studiengängen (Bachelor beziehungsweise Master of Music Instrument) zu revidieren“.
Einen Tag nach den ersten Protesten der Tanzstudierenden machte somit das Stichwort vom Kölner „Aufnahmestopp“ die Runde. Die Hochschule stellte umgehend klar, dass man vielmehr für das Wintersemes-ter 2013/2014 „mit zirka 400 Neuaufnahmen“ rechne. Diese Zahl entspreche in „etwa den – im Vergleich zu Vorjahren gesteigerten – Neuaufnahmen des vergangenen Wintersemes-ters 2012/13.“
Was den Tanz betrifft, so betont der Kölner Rektor, man nehme für das Wintersemester 12 bis 14 neue Studierende auf. Man wolle die Arbeitsfähigkeit des Studienangebots bewusst erhalten und garantiere den Neuen auch die vierjährige Ausbildung. Dieses Signal sieht die Studierendenvertreterin Lisa Gallon positiv: „Da haben wir etwas in der Hand und können es auch einfordern.“ Strittig bleibt die Frage nach der räumlichen Situation. Das ZZT ist in einem alten Schulgebäude im Kölner Stadtteil Nippes untergebracht, das nicht mit Schwingböden ausgestattet ist. Dass dies in der Vergangenheit von den Studierenden immer wieder moniert wurde und auch andere Zweifel an der Qualität der Ausbildung laut wurden, will Lisa Gallon nun aber nicht in dem Sinne interpretiert wissen, am ZZT sei kein ordnungsgemäßes Studium möglich: „Im zeitgenössischen Tanz, der hier den Schwerpunkt bildet, findet mehr auf dem Boden statt, hohe Sprünge spielen keine so große Rolle. Es ist nicht perfekt, aber wenn die Schließung die Alternative ist…“

Große Unterstützung

Rektor Heinz Geuen will nun das Gespräch mit allen Beteiligten, aber auch mit möglichen Sponsoren und Kooperationspartnern suchen, um die Zukunft des ZZT zu sichern. Dieses kann sich auf eine breite Unterstützung in der Szene stützen. Die kurz nach Bekanntgabe der Fusionspläne gestartete Online-Petition sammelte in kurzer Zeit über 3.000 digitale Unterschriften und jede Menge Solidaritätsbekundungen, die das Ausbildungskonzept als unverzichtbar für die deutsche Tanzlandschaft bezeichnen.

Juan Martin Koch

 

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