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Heiser, behaucht und farblos?

Fünftes Symposium zur Kinderchorleitung in Berlin · Von Friedegard Hürter

Im April lud die Berliner Universität der Künste zum „Symposium Kinderchorleitung“ ein. Im Weiterbildungszentrum der UdK erwarteten die Besucher Vorträge und Workshops, praktische Übungen und Probenhospitationen. Themenfelder wie Kinderstimmbildung, relative Solmisation, Liedbegleitung, Hinführung zur Mehrstimmigkeit oder gruppentheoretische Aspekte der Chorleitung standen auf dem Programm. Dabei ging es erfreulich praxisnah und lebendig zu. Einen thematischen Schwerpunkt bildete die Präsentation aktueller Forschungsergebnisse zum Stimmwechsel bei Mädchen und Jungen. Wer eine allzu trockene Materie erwartete, wurde angenehm überrascht.

Die Jungenstimme

Schon der experimentelle musikalische Einstieg in das Thema machte die gravierenden Veränderungen beim Wechsel von der Knaben- zur Männerstimme hörbar. Es herrschte gespannte Erwartung, als ein Stück angekündigt wurde, das aufzuführen nur in der Mutation möglich sei, weder vorher noch nachher. Jugendliche des Staats- und Domchors Berlin haben es komponiert und verblüfften ihre Zuhörer mit einer Aufführung, in der Hauchen, Knarren, Jodler und höchste Falsetttöne in eine künstlerische Form gegossen wurden.

Demonstration der Mädchenstimme.  Foto: Maren Glockner

Demonstration der Mädchenstimme. Foto: Maren Glockner

Eindrucksvoll vermittelten anschließend der HNO-Arzt und Phoniater Tadeus Nawka, Professor an der Berliner Charité, und Judith Kamphues, Gesangspädagogin und Stimmbildnerin beim Staats- und Domchor, die tiefgreifenden Veränderungen von der Vor- bis zur Postmutation, wenn der Testosteronspiegel steigt, der Kehlkopf wächst, seine Form verändert und sich die Sprechstimme um eine Oktave senkt. Was mit der Singstimme geschieht, klang den Zuhörenden buchstäblich noch im Ohr: Sie bricht, ihr Umfang ist eingeschränkt und die Intonation unsicher.

Dennoch empfiehlt Judith Kamphues ausdrücklich, das Singen in dieser Zeit nicht einzustellen, wie es in Knabenchören durchaus praktiziert wurde, sondern vorsichtig weiter zu singen und an Körperhaltung, Atmung und – weil auch die Mundwerkzeuge wachsen – an der Artikulation zu arbeiten. Wichtig sei es, so betonten beide Referenten, den Jugendlichen Zeit zu geben, um sich in ihren „neuen“ Körper einzufinden und den Anpassungsprozess zu bewältigen.

Die Mädchenstimme

Ein wenig beneide sie ihre Vorredner, die bei Jungen mit so gravierenden Veränderungen aufwarten können, räumte Ann-Christine Mecke zu Beginn ihrer Präsentation schmunzelnd ein. Denn bei den Mädchen verläuft der Stimmwechsel viel unauffälliger und führt nicht zwangsläufig in eine neue Stimmlage. Ob damit auch etwas von der Faszination fehlt, die von Knabenchören ausgeht?

Thomaskantor Georg Christoph Biller antwortete 2005 in einem Interview auf die Frage, warum es keine den Thomanern vergleichbaren Mädchenchöre gibt: „Weil die Knabenstimme etwas Vergänglicheres ist. Die Mädchenstimme macht zwar auch eine Mutation durch, ändert sich aber nicht so grundlegend. Der Schritt vom Mädchenchor zum Frauenchor ist nicht so gewaltig wie der vom Knaben- zum Männerchor.“

Auch fast zehn Jahre nach diesem Interview ist kaum bekannt oder gar erforscht, ob auch bei den Mädchen der Kehlkopf in der Pubertät schneller wächst. „Das ist erstaunlich und auch irritierend, denn es gibt mehr Mädchen, die singen, und sie singen mindestens genauso gerne“, meint Ann-Christine Mecke, die sich in ihrer Dissertation mit der Mutation bei Jungen beschäftigt hat.

Diese Forschungslücke möchte die an der Hochschule für Musik und Tanz in Leipzig lehrende Musikwissenschaftlerin nun schließen. An ihrer Seite hat sie Friederike Stahmer, Professorin für Kinder- und Jugendchorleitung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, die zudem den 2006 gegründeten Mädchenchor der Berliner Sing-Akademie leitet. Gemeinsam arbeiten sie an der Vorbereitung einer Langzeitstudie, bei der sie Mädchen der Berliner Sing-Akademie über drei Jahre begleiten wollen und untersuchen werden, wie sich deren Stimmen verändern.

Zunächst aber hieß es, in einer Vorstudie Kriterien für die Diagnose „Stimmwechsel“ zu ermitteln. 38 Sängerinnen des Mädchenchors der Sing-Akademie von 8 bis 16 Jahren machten dabei mit, wobei die Altersgruppe der 9- bis 14-Jährigen am stärksten vertreten war. Für jede von ihnen stand ein Aufnahmetermin zur Verfügung, an dem sowohl Stimm-umfang und Sprechstimmlage gemessen als auch Daten wie Alter, Körpergröße und Beginn der Menstruation erhoben wurden.

Während die Jüngeren zwar von dem Mikrofon irritiert, mit ihrer Stimme aber vollkommen zufrieden waren, plagten die 11- bis 12-Jährigen stärkere Unsicherheiten, erzählt Ann-Christine Mecke. Wenn jedoch diese Phase überwunden war, konnten die Mädchen ihre Fähigkeiten genau einschätzen und bewältigten die Aufgaben locker und souverän.

Welchen Einfluss psychische Faktoren wie pubertäre Schüchternheit oder Anpassung an eine Peergroup auf die stimmliche Entwicklung ausüben, wollen die beiden Projektleiterinnen in ihrer dreijährigen Verlaufsstudie daher genauer überprüfen. Deutlich zeigte sich aber schon jetzt, dass die Sprechstimme auch bei Mädchen tiefer wird, im Schnitt um eine große Terz. Allerdings zieht sich dieser Prozess über einen längeren Zeitraum und wird von den Betroffenen kaum bemerkt.

Drei jungen Sängerinnen des Mädchenchors der Sing-Akademie war es zu verdanken, dass die Zuhörer die Veränderungen der Singstimme unmittelbar nachvollziehen konnten: der 11-jährigen Adriana, der 12-jährigen Neima und Rosa, 15 Jahre alt. Nicht nur ihre schönen, geschulten Stimmen, sondern auch ihr Mut, allein vorzusingen, wurde mit gro ßem Applaus belohnt. Ihre drei unterschiedlich reifen Stimmen verdeutlichten sehr schön, wie sich die Klangfarbe im Verlauf des Stimmwechsels verändert, tiefere Teiltöne verstärkt werden und sich ein Vibrato entwickelt.

Dass die Mädchenstimmen in dieser Zeit heiser, behaucht oder farblos klingen, wie es in einer der wenigen älteren Studien heißt, hat sich für Ann-Christine Mecke und Friederike Stahmer nicht bestätigt. „Möglicherweise zeigt sich das erst, wenn man ein einzelnes Mädchen über längere Zeit begleitet“, meint die Musikwissenschaftlerin. Wieder eine Fragestellung für die spätestens Anfang 2015 beginnende Verlaufsstudie. Ihre Ergebnisse werden zwar erst in einigen Jahren vorliegen, aber wir dürfen darauf gespannt sein.

Friedegard Hürter

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