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Berichte

Ambivalente Titelfigur

Verdis „Rigoletto“ am Staatstheater Oldenburg

Giuseppe Verdis 1851 entstandene Erfolgsoper „Rigoletto“ zählt seit der Uraufführung zu den meist gespielten Opern weltweit. Konjunktur hat sie vor allem in Norddeutschland: Mascha Pörzgen 2003 in Oldenburg, Andrej Woron 2005 in Bremen, Michael Talke 2015 in Bremen, Woron erneut 2017 in Bremerhaven. 2017 gab es in Hannover eine Open-Air-Produktion. Und nun schon wieder: Hinrich Horstkotte, der oft und auch hier sein eigener Kostümbildner ist, inszenierte am Staatstheater Oldenburg. Das Werk, das musikalisch einen Hit an den anderen reiht, führte Horstkotte zusammen mit dem ersten Kapellmeister Vito Cristofaro und einem glänzenden Ensemble zu einem eindrucksvollen Erfolg: Oldenburg ist wieder einmal eine Reise wert.

Geschichtslos, aber doch irgendwie historisch, tragen die miesen Höflinge des Hofes in Mantua im 16. Jahrhundert schwarze uniformartige Fantasieklamotten, ein tolles Horrorszenarium. Gilda hat eine schwere Gehbehinderung und sitzt ab und zu im Rollstuhl, der Herzog trägt ein hellblaues bodenlanges Gewand, verwandelt sich aber auch in einen schwarz kostümierten Besucher von Maddalenas Bordell. Und im zweiten Akt, als er Gilda als verloren glaubt, steht er im Hemdchen in der Badewanne und weint – Krokodilstränen allerdings. Rigolettos Buckel ist gekennzeichnet durch eine Art Herz auf dem Rücken oder auch Flügel, die er je nach Situation an- und auszieht. Eine schöne Idee angesichts seiner ambivalenten und durchaus nicht immer sympathischen Haltung: Mal ist er ein übel agierender Mitläufer des frauenverbrauchenden und gleichzeitig -verachtenden Herzogs und mal ein liebender und verzweifelter Vater. Als letzterer geht er aber auch regelrecht gewalttätig mit seiner seit Kindheit eingesperrten Tochter um, sogar vollkommen egozentrisch geht es ihm um seine verlorene Ehre, weniger um das Leid des Mädchens. Dass die letzte Szene ein Domina-Bordell ist, haut nicht hin, immerhin verliebt sich Maddalena in den „Apoll“. 

Stephen Foster als Marullo mit Herrenchor. Foto: Stephan Walzl

Stephen Foster als Marullo mit Herrenchor. Foto: Stephan Walzl

Das der Oper zugrundeliegende Drama „Le Roi s‘amuse“ von Victor Hugo und das Libretto von Francesco Maria Piave sind zu Recht als Adelskritik, die ja auch zu Eingriffen der Zensurbehörde führte, verstanden worden. Horstkotte zeichnet das mit einfachen, aber ungemein präzisen realistischen Schritten zeitlos nach, der Zuschauer muss nicht nach Bedeutungen rätseln. Die Drehbühne (Siegfried E. Mayer) entfaltet sich ebenso drastisch wie poetisch in wunderbaren Farben.

Nicht ganz selbstverständlich, aber wunderbar, dass die Hauptrollen aus dem Ensemble besetzt werden konnten: Kihun Yoon als Rigoletto, Sooyeon Lee als Gilda, Melanie Lang als Maddalena, Ill-Hoon Chung als Sparafucile, und man darf Jason Kim als Herzog dazu zählen, denn der singt als Gast eine Menge Rollen in Oldenburg. Yoon ist mit seiner Riesenstimme darstellerisch ebenso ergreifend wie sängerisch differenziert, Lee findet wunderschöne Farben der Sehnsucht, Lang und Chung ergänzen einfühlsam das Quartett und Kim strahlt mit einem überragenden, gut geführten Tenor. Über allem steht der Fluch des Monterone (gewaltig Leonardo Lee), den neben der Inszenierung auch der Dirigent zu seiner Leitfigur macht. Cristofaro formt mit dem gut folgenden Orchester Klangfarben und Rhythmen, von denen man meint, sie nie gehört zu haben, gestaltet Kontraste, die immer wieder neu überraschen. Ein Sonderlob gebührt dem Chor, von dessen Mitgliedern jede und jeder eine eigene Persönlichkeit zu sein scheint. Ein großer Abend, eine Reise wert!

Ute Schalz-Laurenze

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