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Oper für alle

Oper für alle. Die Biografie von Sir Peter Jonas
Insel Verlag 2021, ISBN 978-3-458-17905-4, 652 S., 34 Euro

Sir Peter Jonas (1999 von der Queen geadelt) war einer der führenden Theatermenschen seiner Zeit und eine der elegantesten, spleenig-stilvollen Persönlichkeiten des Opernlebens. 1946 wurde er in London geboren. Er wuchs in England auf, studierte in Sussex, Manchester und London. 1974 ging er zum Chicago Symphony Orchestra zu Sir Georg Solti, wo er zunächst sein Assistent, dann Künstlerischer Betriebsdirektor wurde. 1984 wurde er Generaldirektor der English National Opera, 1993 Intendant der Bayerischen Staatsoper München, wo er mit seinem provokativen Musiktheaterkonzept Publikum und Presse polarisierte, aber für ein volles Haus sorgte.

Oper für alle. Die Biografie von Sir Peter Jonas

Oper für alle. Die Biografie von Sir Peter Jonas

Im April 2020, im Alter von 73 Jahren, erlag Sir Peter Jonas in München seiner Krebserkrankung. In den zwei Jahren vor seinem Tod führte er zahlreiche Gespräche mit der Autorin Julia Glesner. Aus ihnen ging die Biographie von Sir Peter Jonas hervor. Wie ein roter Faden durchzieht die Janusköpfigkeit, durchziehen Widersprüche der Persönlichkeit diese detailreiche Biographie. Peter Jonas nannte sich selbst einen Traditionalisten und kämpfte doch gegen das Etablierte. Einerseits war er ein intellektueller Opernfreak, andererseits liebte er Autos, Cricket und Fußball. Er war jüdisch-libanesischer Abstammung und entwickelte sich zu einem wagemutigen Kosmopoliten und Theatermann, der Konventionen sprengte.

„Obwohl ich mich nach klassischer Schönheit auf der Bühne sehnte, bemerkte ich auch, dass ich mich doch mehr begeisterte, wenn etwas leicht verzerrt war, sich jenseits des Normalen bewegte.“ Walter Felsenstein und Wieland Wagner waren für ihn Paradebeispiele ästhetisch modernen Musiktheaters. Sie standen seiner Meinung nach für Oper als adäquate zeitgenössische Kunstform.

Mit großem Respekt und Betroffenheit berichtet die Biografin immer wieder von der Krebserkrankung, von der Peter Jonas sagte: „Die Krankheit selbst befreite mich, um mich zu entwickeln.“ Schon mit 29 erkrankte er, es war wohl die lebenslange Todesnähe, die seinen Lebenswillen mobilisierte. Kranken- und Familiengeschichte, künstlerische und persönliche Vita werden von der Autorin ineinander verwoben, auch Bekanntschaften und Zusammenkünfte mit den Großen der Musikwelt werden geschildert. Das individuelle Schicksal wird von Julia Glesner allerdings zum Panorama der Opernwelt geweitet. Die Bayerische Staatsoper war für das Migrantenkind Jonas nicht nur Endstation, sondern so etwas wie ein „Family House“. Am Münchner Nationaltheater konnte er seine Auffassung von heutigem Musiktheater konsequent umsetzen. Die von ihm als Opern-Manager verantwortete slapstickhaft-bunte Produktion „Giulio Cesare in Egitto“ von 1994 schrieb Theatergeschichte. Das Bild des Dinosauriers wurde zum Symbol seiner Amtszeit und der Auftakt der Händel-Renaissance in München. „In der Produktion von Richard Jones und Ausstatter Nigel Lowery stand der stürzende Dinosaurier für den Fall des Römischen Reiches und seiner obsolet gewordenen Ordnung. Im übertragenen Sinn aber konnte die Metapher für den Sturz der alten Ordnung an der Bayerischen Staatsoper München gelesen werden“, so liest man. Jonas‘ Motto „Oper für alle“ (das dem Buch seinen Titel gab) war die Maxime seines Handelns. In München wurde es zum Programm. Oper in Freiluft-Videoübertragung wurde gefeiert und international kopiert, unter anderem in Hannover, Düsseldorf, Dresden und Zürich. Die mit großer Einfühlsamkeit und fleißigen Recherchen aufwartende, detaillierte Biographie von Julia Glesner, der sehr persönliche Fotos beigegeben sind, erzählt nicht nur berührend das faszinierende Leben eines nonkonformen Theatermannes, sondern auch das Opernwesen seiner Zeit.

Dieter David Scholz

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