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Rezensionen

Opern-Frauen

Wolfgang Seidel: Die Braut des Holländers. Berühmte Frauengestalten in der Oper. 288 S., Verlag Faber&Faber, Leipzig 2021, 24 Euro
Catherine Clément: Die Frau in der Oper – Besiegt, verraten und verkauft. 325 S., dtv/Bärenreiter Verlag, Kassel 1994, 8,90 Euro

Die als „elitär“ verschriene Oper zugänglicher machen – das gelingt dem kultur-erfahrenen Wolfgang Seidel. 31 Frauenrollen hat er aus dem zentralen Repertoire gewählt – und schon an dieser beschränkten Zahl kann er höchst unterschiedliche Charaktere und ihre musikdramatische Gestaltung auffächern. Damit tut sich auch der emotionale Kosmos, der in einer gelungenen Aufführung zu erleben ist, ein gutes Stück auf. Erfreulicherweise schon im Vorwort hält der erfahrene Opernfreund Seidel fest, dass speziell bei den Frauenschicksalen der gesellschaftliche Kontext eine große Rolle spielt. Prompt spart er soziale und politische Aspekte nicht aus: etwa die fatale Mixtur aus weißer Polizeigewalt, schwarzem Machotum, Armut, Alkohol, naiver Bibelgläubigkeit, Drogen bis hin zu Mord in „Porgy and Bess“; in „Fidelio“ wagt Seidel den Vergleich von Florestan mit Whistleblower Edward Snowden, dem in Guantanamo Vergleichbares gedroht hätte – und glaubt an die fragliche Befreiung aller Gefangenen. In vielem folgt man Seidel gerne – bis wohl etliche Leser feststellen: Ein strengeres Lektorat hätte dem Buch gutgetan – sprachlich etwa wären „egal“ am Absatzende, Siegfried und Brünnhilde als „echtes Powerpaar“ oder Salome als „größte Schlampe der Opernbühne“ verbesserungswürdig; inhaltlich fehlen bei „Fidelio“ und beim „Fliegenden Holländer“ die divergierenden Fassungen. Wenn schon die Wiederentdeckung und heutige „Omnipräsenz“ von Mozarts „Cosí“ angerissen wird, sollte etwas zur Bandbreite der Bühneninterpretationen durch das sogenannte „Regietheater“ angeführt werden. Ein weniger sexistisches Coverfoto wäre auch schön gewesen. Etwas schwerer wiegt, dass Seidel schon im Einzelartikel zu einer Opernfrau oft ins Kulturgeschichtliche oder Allgemeingültige ausholt, am Ende des Bandes aber auf fast 40 kleingedruckten Seiten noch einmal Grundsätzliches und Allgemeingültiges zu den alphabetisch geordneten Komponisten sagt – Überschneidungen inbegriffen. Anscheinend wollte Seidel auch gleich eine kleine Kulturgeschichte der Oper schreiben und lässt andererseits vielfach die Musik zu kurz kommen.

Vielleicht wäre er bereichert worden, wenn er den Klassiker zur Thematik, Catherine Cléments „Die Frau in der Oper“, verinnerlicht hätte. Schon vor fast 40 Jahren hat die hochgebildete Strukturalistin den großen Bogen vom auch Frauen zugestandenen „Lieto fine“ im 18. Jahrhundert zum dominierenden „Lasciatemi morir“ nachgezeichnet: Sie belegt inhaltlich, wie Frauen „besiegt, verraten und verkauft“, mit Elend, Wahnsinn und Tod gereinigt, hinwegglorifiziert oder bestraft werden; sie führt aus, wie dies von männlichen Komponisten musikalisch verbrämt und genussreich hochstilisiert wurde: eben Oper als das gesellschaftlich hoch opulent verfeinerte Ritual, grenzüberschreitende Frauen zu beseitigen – beifallsumtost bis hin zu „Mei, ist die schön gestorben!“ Lösung für den Opernfreund: Unbedingt beide Bücher lesen!

Wolf-Dieter Peter

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