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Rezensionen

Kaiser von Atlantis

Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis. Zara, Loetzsch, Eröd, Nazmi u.a., Münchner Rundfunkorchester, Patrick Hahn. BR Media CD 900339

Ein Kaiser ordnet einen heiligen Krieg an; der nicht mehr wie einst „vaterländisch“ gefeierte Tod sieht sich nur noch als „Handwerker des Sterbens“ und will nicht mehr; ein Harlekin kann da nicht mehr spaßen; ein Soldat und ein vermeintlich feindliches Mädchen entdecken die Liebe; ein Trommler propagiert weiterhin den Krieg aller gegen alle… Nein, das ist kein brandaktuelles Polittheater aus dem Frühjahr 2022. Das hat der jüdische Komponist Viktor Ullmann 1943 im verlogen geschönten KZ Theresienstadt als „Der Kaiser von Atlantis“ komponiert. Letztlich wurde er dann, nachdem er die Noten einem Mithäftling zum Verstecken gegeben hatte, von den NS-Kulturbarbaren gleich dreimal ermordet: im Oktober 1944 in Auschwitz, zuvor durch die teilweise Vernichtung seiner früher gedruckten wie auch seiner ab 1942 in Theresienstadt entstandenen Werke – und dann noch durch das mit der Verdrängung der NS-Vergangenheit einhergehende Vergessen seitens der Musikwelt nach 1945. Erst die Uraufführung des „Spiels in einem Akt“ 1975 in Amsterdam (!) leitete ein allmähliches „Erinnern“ ein.

Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis. Zara, Loetzsch, Eröd, Nazmi u.a., Münchner Rundfunkorchester, Patrick Hahn.

Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis. Zara, Loetzsch, Eröd, Nazmi u.a., Münchner Rundfunkorchester, Patrick Hahn.

Zu seinem 70-jährigen Bestehen hat nun das Münchner Rundfunkorchester eine konzertante Aufführung mitschneiden und veröffentlichen lassen. Über die damals wie heute leider gespenstische Aktualität des Werkes hinaus besitzt das Libretto des zusammen mit Ullmann in Auschwitz ermordeten Peter Kien auch Züge eines modernen Mysterienspiels: Als der Tod seine Arbeit niederlegt, kann niemand mehr sterben, was Zeit und Krieg ad absurdum führt; die Liebe wird als versöhnende Kraft besungen; Lautsprecher verbreiten Stimmen gegen das „Unkraut des Hasses und der Unversöhnlichkeit“. Dies und viele zitierenswerte Sätze hat Ullmann in vier Bildern raffiniert vielfältig komponiert: von „entartetem“ Brecht-Weillschem Songstil, Foxtrott und Blues über Passacaglia und vielem anderem bis zu Zitaten von verfremdetem Deutschlandlied und Luther-Choral. Ein eingestreuter „Totentanz“ und Tanz-Intermezzo „Die lebenden Toten“ spannt den Bogen einer Bühnenrealisierung noch weiter auf. Die musikalische Seite bewältigt das gute Solistenensemble konzertant fehlerlos. Nur wirkt Patrick Hahns Dirigat zu sehr auf feinsinnige Vielfalt bedacht: Vieles könnte härter, kantiger und letztlich auf „Verstörung“ abzielend klingen – denn das Werk ist geradezu erschreckend aktuell und sollte durch eine verstörende Inszenierung dann auch aufschrecken.

Wolf-Dieter Peter

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