Im ersten Bild von Rheingold wird die Aufmerksamkeit nach den im neckischen Spiel von Wellgunde eher beiläufig gesungenen Worten vom weltbeherrschenden Ring auf die Bedingung des Liebesverzichts und (mit deutlicher Gestik und musikalischer Gewalt) auf Alberichs Verfluchung der Liebe gelenkt. Loges demagogische, die Riesen betörenden Schilderungen gipfeln in der Proudhonschen Antwort auf Wotans Frage, wie der von Alberich geschmiedete Ring zu erlangen sei: Durch Raub! Was ein Dieb stahl, stiehlst du dem Dieb: Ward leichter ein Eigen erlangt? Auch im weiteren Verlauf der Tetralogie beeindruckt, wie bündig Wagner die katastrophalen Vorgänge als Folge ungehemmter Besitz- und Machtgier gestaltete und wie gezielt die Inszenierung sie ins Spiel setzt. Zugleich wird der von falschen Vorstellungen ausgehende und deshalb scheiternde Versuch Wotans sicht- und hörbar gemacht, die Welt durch Verträge zu ordnen, Macht und Liebe zu verbinden. Bei allem nutzen die Inszenatoren weitgehend die mit der 1992 abgeschlossenen Rekonstruktion des Chemnitzer Opernhauses geschaffenen enormen bühnentechnischen Möglichkeiten. Ein fantastisch changierend ausgeleuchtetes Gewirr bietet sich dem Auge beim Spiel der Rheintöchter. In diesem ersten Bild finden sich, wie sich an den folgenden drei Abenden zeigt, bereits wesentliche Elemente der gesamten Bühnengestaltung. Das Gewirr dient in Siegfried in wundersam schillerndem Licht für das Waldbild mit dem großartigen Waldweben, in düsterer Färbung für die Nornenszene und erneut variiert für die Begegnung Siegfrieds mit den Rheintöchtern in Götterdämmerung. Die gläserne Walhall-Front im letzten Rheingold-Bild wird nicht nur im Finale der Götterdämmerung wieder sichtbar, sondern auch während der in Walhall stattfindenden verhängnisvollen Auseinandersetzung zwischen Wotan und Fricka als Gefangene in ihrer eigenen Burg. Bildverbindungen bestehen auch zwischen der Hunding-Hütte und der Gibichungen-Halle. Als bedeutsames Symbol erscheint, im Rheingold schon in Segmenten vorhanden, zuerst im Schlussbild der Walküre, dann wieder im Siegfried-Schlussbild sowie im Vorspiel der Götterdämmerung in der Form eines die Bühne umschließenden Ringes das von Wotan beschworene Feuer um die von ihm verstoßene Brünnhilde. Im Finale der Götterdämmerung schwebt er beim Brand Walhalls über der Szene. Starkes SängerteamIn der ersten zyklischen Aufführung wirkte das szenische und musikalische Geschehen dank der gegenüber den Einzel-Premieren weiter intensivierten Personenführung und gesteigerten Spielfreude noch eindringlicher. Die stärksten Eindrücke wecken der Engländer John Treleaven als Siegfried, die Amerikanerin Janice Baird als Brünnhilde, Jürgen Freier als Alberich und der Engländer Richard Berkeley-Steele als Siegmund, die neben dem Schweizer Hans-Peter Scheidegger als Wotan für diese insgesamt vom hauseigenen Ensemble getragene Inszenierung verpflichtet wurden. Selbst in Bayreuth ist nicht immer ein so quicklebendiger Siegfried zu erleben, der im Schlussduett mit Brünnhilde noch so unangestrengt singt wie in den ersten beiden Aufzügen. Im Spiel mit Mime zeigt sich John Treleaven als kraftstrotzender, lausejungenhafter Naturbursche, der instinktiv Mimes Falschheit erspürt und aus diesem Gefühl heraus seiner Abneigung freien Lauf lässt. In Jürgen Mutze als Mime hat er dabei einen geradezu artistisch aufspielenden Partner. Tief berührend gestaltet Treleaven die ganz anders geartete Szene beim Waldweben. Da offenbart er, besonders beim Nachdenken über seine tote Mutter, eine bislang verschlossene, kaum erwartete Zärtlichkeit als sein innerstes Wesen. Auch für die Angst beim Anblick der schlafenden Brünnhilde findet er überzeugenden Ausdruck. Janice Baird beeindruckt als Brünnhilde schon in der Begegnung
mit dem Siegmund Richard Berkeley-Steeles mit ausgeprägt menschlichen
Zügen. Mit großer Strahlkraft singt sie in den Duetten
mit Siegfried wie im Racheterzett mit Hagen und Gunther. Nachhaltig
berührt ihr nur von Hagen argwöhnisch belauschter Abschiedsgesang
in der Götterdämmerung, vor dessen Beginn
die Männer und Frauen (im Unterschied zu Wagners Anweisungen)
die Bühne verlassen. Ihre Abschiedsworte richtet sie, soweit
sie nicht Siegfried gelten, mit bittenden Gesten, doch beschwörend
mit dem hochgehaltenen Ring als ihr fluchbeladenes Erbe, an die
Theaterbesucher in der leisen Hoffnung, sie möchten doch Schlussfolgerungen
aus all den Katastrophen ziehen. Dass mit der Rückgabe des
Ringes an die Rheintöchter das Böse nicht aus der Welt
ist, macht der Regisseur deutlich, indem er nach Brünnhildes
Selbstopfer und Hagens Untergang Alberich allein auf der Bühne
erscheinen lässt. Oleg Caetani führt die Robert-Schumann-Philharmonie zu spannungsgeladener musikalischer Gestaltung. Er schafft nicht nur glanzvolle und abgründige Höhepunkte, sondern lässt auch erleben, welch feinsinnige, reich differenzierte Kammermusik das Werk in sich birgt. Nur müsste er zuweilen noch mehr Rücksicht auf die Sänger nehmen. Die Qualität der Inszenierung hatte sich schnell herumgesprochen. So reisten wie zu den Einzel-Premieren zur ersten zyklischen Aufführung viele auswärtige Gäste mit Bussen, Eigenfahrzeugen und Bahn zwischen München, Mannheim, Berlin und Stendal an. Dieser Chemnitzer Ring bekräftigt jene Worte, die Thomas Mann 1937 in seinem Züricher Einführungsvortrag sprach, nämlich dass dieses Werk sozial-sittlich weit hinauszielt über alle kapitalistisch-bürgerliche Ordnung in eine von Machtwahn und Geldherrschaft befreite, auf Gerechtigkeit und Liebe gegründete, brüderliche Menschenwelt.
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