Dans la marche (Musik: Udo Zimmermann/Choreografie Uwe Scholz) ergreift Besitz von Augen, Ohren, Bauch der gut 1.250 Zuschauer im alten Leipziger Gasometer, den die Mitglieder des Vereins KunstRäume vor dem endgültigen Verfall retten wollen. Gemeinsam mit den Stadtwerken als Eigentümer wird ein Investor gesucht für das Gebäude, das mehr als 90 Jahre seinen Dienst getan hat und dessen Dach speziell für das Stadt-interne Gastspiel (Teil des EXPO-Programms) dicht gemacht wurde. Der Raum ist ein Traum aus Stein, Licht und morbidem Charme kathedraler Industrie-Ruinen. Eine ansteckende Vision, die Christoph Hansel vom KunstRäume e.V. nicht mehr los- ließ, seit er zum ersten Mal die wuchtige Erhabenheit erlebte. Das war vor anderthalb Jahren und das Schöne war, dass (Ballettdirektor) Uwe Scholz einen ähnlichen Traum hatte, sagt Hansel heute. Quasi als Herzstück der ersten Leipziger Ballet-Tage flieht der nicht mehr taufrische Zimmermann/Scholz-Abend Dans la marche/Pax questuosa die traditionelle Spielstätte, leider nur für zwei Abende. Ein längst fälliger Schritt, den Noch-Intendant Udo Zimmermann als historisch bezeichnet. Was auf der Opernbühne arg befrachtet wirkte, wagt hier unter der düsteren Kuppel eine Liaison mit ungewohnten Kontrasten. Zumindest im ersten Teil geht das Konzept auf. Zimmermanns trauernde Hommage an Witold Lutoslawski berührt mit schlichtem Klanggewebe ganz unmittelbar. Die Tänzer wagen eine Innigkeit, die keiner Geste entbehren dürfte. Das ist im zweiten Teil anders. Das dramatische Plädoyer für den gefährdeten Frieden Pax questuosa klagt nicht nur musikalisch das Unbeschreibliche (zu) üppig an. Scholz Compagnie muss es auch noch überdeutlich, fast schwülstig-monumental verstärkt zelebrieren. Alles wird zu viel, der ungewöhnliche Raum benutzt statt einbezogen oder dagegen gesetzt. So brachte der 200.000 Mark teure Seitensprung weniger Inspiration als möglich gewesen wäre, sollte jedoch gerade deshalb nicht als Zwischenruf verhallen. Beide Abende waren restlos ausverkauft, das Leipziger Publikum dürstet nach überraschenden Ideen zwischen Stadtfesten und verkaufsoffenen Sonntagen. Der KunstRäume e.V. arbeitet seit 1999 an einer Verbindung zwischen darstellender/bildender Kunst und Architektur, will Geschichte und Veränderung (anders) erlebbar machen. Mit 50 Millionen hätte man hier eine fantastische Spielstätte, schwärmt schließlich auch Udo Zimmermann. Eine Euphorie, die die bis Pfingsten gezählten Ballett-Tage überdauern sollte.
|
||||||||||||||||||||||||||
|
|